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Huete dich vor deinem Naechsten

Titel: Huete dich vor deinem Naechsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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legen.
    »Wo fahren wir hin?«
    »Sie hat uns erlaubt, uns in ihrem Apartment umzusehen. Sagte, sie würde den Portier anrufen, damit er uns reinlässt.«
    »Kein Anwalt?«
    »Noch nicht. Sie will zuerst ihren Mann finden. Sie fürchtet, er sei entführt worden.«
    »Vielleicht hat sie wirklich keine Ahnung.«
    Crowe schaute kurz zu ihr hinüber und hob die Augenbrauen. »Noch bin ich bei Verstand. Nicht alle deiner Kollegen verlieben sich in ein Opfer und setzen dafür alles aufs Spiel.« Er meinte Mateo Stenopolis, Jez’ früheren Partner aus der Vermisstenabteilung. Stenopolis hatte sich in ein vermisst gemeldetes Mädchen verliebt und bei dem Versuch, es zu finden, sein Leben und seine Karriere ruiniert. Er und Breslow wären beinahe umgekommen.
    »Nein«, lachte Jez, »so romantisch bist du nicht.«
    »Frag meine Exfrau.«
    Er hörte zu, als Breslow ihre Mutter anrief, um ihr mitzuteilen, dass sie ihren Sohn Benjamin heute später abholen würde. Crowe war der Meinung, während seiner gescheiterten Ehe nur von einem verschont geblieben zu sein - von Kindern. Er bekam aus nächster Nähe mit, wie Breslow sich mit ihrem Fast-Exmann und dem gemeinsamen Sohn abmühte. Der gemeinsame Nachwuchs bindet zwei Menschen für immer und ewig aneinander. Ihn hingegen verband nichts mehr mit seiner Ex, rein gar nichts. Sie hatten das wenige gemeinsam angesparte Geld geteilt, und das war’s dann. Er hatte immer Kinder gewollt, viele Kinder - sie keine, höchstens eins. Sie hatte sich Sorgen um ihre Karriere gemacht, wollte nicht als Hausfrau enden wie ihre Mutter, wenigstens nicht, solange der Mann nur ein mageres Polizistengehalt bezog. Seine Mom hatte vier Kinder großgezogen, noch weniger Geld zur Verfügung gehabt als er heute und nicht einmal gearbeitet. Sie war bei ihren Eltern aus- und bei ihrem Ehemann eingezogen. Diese Tatsache anzusprechen, machte es nicht besser.
    »Damals waren die Zeiten anders, Grady«, hatte seine Frau gekontert. »Außerdem - glaubst du, deine Mutter sei glücklich? Ich habe nicht gehört, dass deine Eltern auch nur einmal ein nettes Wort zueinander gesagt hätten. Verdammt, ich habe noch nicht einmal gesehen, dass sie sich küssen!«
    Über das Glücklichsein redete sie wie über einen Lotteriegewinn, auf den sie wartete. Gradys Ansicht nach konnte man das Glück überall finden, man musste es nur suchen. Man sieht drei tote Menschen in einem Büro in Downtown, deren verzerrte Gesichter verraten, unter welchen Schmerzen sie gestorben sind, und fühlt sich schlecht. Man geht nach Hause zu seiner geliebten Frau und den Kindern und fühlt sich glücklich. So einfach war das.
    »Steigerst du dich wieder in deine Vergangenheit mit deiner Ex rein?«, fragte Jez mit einem Blick auf ihre Fingernägel.
    »Woher weißt du das?«
    »Du machst diese seltsame Kieferbewegung, so als würdest du auf deiner Zunge kauen. Das tust du immer, wenn du an sie denkst.«
    »Du weißt nicht alles«, entgegnete er.
    »Nein, das stimmt. Aber nach einem Jahr in einem Streifenwagen mit dir weiß ich eine ganze Menge, und zwar über dich. Mein Tipp: Falls du es allein nicht schaffst, sie zu vergessen, solltest du dir Hilfe suchen. Du verwandelst dich in einen griesgrämigen Jammerlappen. Redest ständig über sie und denkst noch öfter über sie nach. Tu was, Crowe.«
    »Danke, Frau Doktor.« Er wusste, dass sie recht hatte. Er war wie ein Hund mit einem dicken Knochen. Er konnte einfach nicht davon ablassen, suchte immer noch nach einem letzten Rest Fleisch.
    Zufrieden darüber, ihm ihre Meinung gesagt zu haben, wandte Jez sich wieder ihrer Arbeit zu. »Ich habe alle Infos, die es über Marcus Raine gibt - Geburtsdatum, Sozialversicherungsnummer - an die Suchsysteme des FBI weitergegeben. Ich warte auf die Rückmeldung.«
    »Die Ehefrau scheint überzeugt davon, dass er hier das Opfer ist. Dieser anonyme Anruf hat sie wirklich erschüttert, sie glaubt, dass die Schreie von ihm kamen.«
    »Was sollen wir glauben?«, fragte Jez gedankenverloren.
    »Wir werden sehen. Wir müssen tiefer graben.«
     
    Sie erreichten das Wohnhaus der Raines und hielten auf der halbrunden Auffahrt. Der Portier erwartete sie bereits, überreichte ihnen den Schlüssel und sagte ihnen, sie sollten mit dem Aufzug in den achten Stock fahren. Crowe wunderte sich ein bisschen, er hatte sich auf viele Fragen gefasst gemacht, aber der Portier gab sich so stoisch und ungerührt wie ein gotischer Wasserspeicher. Seine sorgfältig pomadisierten, nach

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