Huete dich vor deinem Naechsten
Handtasche. Sie sah den Detective an und bedankte sich mit einem Lächeln für den Kaffee, den er ihr reichte. »Er überprüft gerade den Computer und wird gleich zurückrufen.«
Der Detective nickte. »Okay«, sagte er und gab ihr eine Karte. »Rufen Sie mich auf meinem Handy an, falls er irgendwas entdeckt.«
»Wo wollen Sie denn hin?«
»Ich muss einem Hinweis nachgehen.«
Einen Augenblick lang sahen sie einander in die Augen, und Linda hatte große Mühe, ihr Wissen vor ihm, der Autoritätsperson, zu verbergen. Er war offen zu ihr gewesen, hatte ihr alles erzählt, was er über Izzys Mann wusste. Sie war nervös und fühlte sich schuldig, weil sie ihm etwas verschwieg, auch wenn sie Erik nur einen kleinen Vorsprung geben wollte, damit er ihre verrückte Schwester zur Vernunft brachte. Sie war froh, als er endlich zur Tür ging.
»Darf ich Sie noch etwas fragen«, sagte er. Er hatte die Hand schon am Türknauf, drehte sich aber noch einmal um. »Hatten Sie jemals den Verdacht, Ihr Schwager könnte nicht der sein, für den er sich ausgibt? Erinnern Sie sich an irgendwelche Vorfälle, die Sie stutzig gemacht haben?«
Linda hatte über diese Frage nachgedacht, seit der Detective ihr von dem vermissten Mann, von der gestohlenen Identität erzählt hatte. Aber außer dem vagen Gefühl, dass sie Marcus nicht mochte, ihm nicht vertraute und ihn nicht gut genug für Izzy gehalten hatte, gab es nichts, keine Anhaltspunkte, die ihnen nun weiterhelfen würden. Das sagte sie Crowe.
»Denken Sie noch einmal darüber nach. Rufen Sie mich an, falls Ihnen etwas einfällt, egal, wie banal und unwichtig es Ihnen erscheint.«
Dann fügte er hinzu: »Sagt Ihnen der Name Camilla Novak etwas?«
Linda konnte seinem Blick nicht länger standhalten und schlug die Augen nieder. »Nein«, entgegnete sie.
Er wartete kurz. »Sicher?«
Sie nickte und zwang sich, ihm direkt in die Augen zu schauen. »Warum fragen Sie? Wer ist sie?«
»Vielleicht hat sie Informationen für uns. Wir werden sehen. Rufen Sie mich an«, wiederholte er und ging hinaus.
»Hast du eben gelogen?«, fragte Emily ungläubig. Linda dachte kurz daran, wieder zu lügen, fand aber nicht die Kraft dazu, jetzt, wo beide Kinder sie so anstarrten.
»Psst«, sagte Linda, rutschte zu ihrer Tochter hinüber und legte einen Arm um ihre Schultern. Das Mädchen fühlte sich so klein an, so zerbrechlich.
»Du hast die Polizei angelogen?«, fragte Trevor, die Stimme vor Angst verzerrt wie an dem Tag, als sie ihm die Wahrheit über den Weihnachtsmann sagen musste.
»Ich gebe Dad nur einen kleinen Vorsprung«, flüsterte Linda mit einem Blick zur Tür. »Wir müssen Isabel vor der Polizei finden.«
»Du hast gesagt, ich hätte es richtig gemacht!«
»Mein Gott, hör endlich mit dem Gejammere auf«, stöhnte Emily.
»Hast du auch«, sagte Linda. »Du hast das Richtige getan. Und jetzt tue ich ebenfalls das Richtige. Oder so ähnlich.«
Nichts als Grautöne, wollte sie ihm sagen, nichts davon schwarz-weiß. Doch stattdessen streckte sie den freien Arm nach ihm aus. Er kam herüber und setzte sich auf ihren Schoß; dafür war er nicht zu groß. Emily ließ ihren Kopf an Lindas Schulter sinken, nahm die Hand ihres Bruders und drückte sie. Sie konnten so gemein zueinander sein, sich anschreien und ein Drama veranstalten, aber Linda wusste, die Kinder liebten sich so heftig, wie sie und Izzy sich geliebt hatten. Und jetzt, da ihr Leben in den Grundfesten erschüttert wurde und alles zu bröckeln begann, gaben sie einander Halt. Das würde ihnen keiner nehmen können.
ZWÖLF
A ls sie verblutete, als sie langsam starb, spürte er eine stechende Wut. Ihre Augenlider flatterten wie die Flügel eines panischen, trotzigen Schmetterlings. Ihre Atmung rasselte, es war hoffnungslos. Er wandte den Blick ab, als ihre Hand zu zucken begann und ihr Blick leer wurde. Sein Ärger hatte in der Kehle angefangen und stieg ihm nun als leichter Schmerz bis in die Stirn.
Ein Gewebe trennt sich langsam auf, wenn ein Faden sich löst. Er bleibt irgendwo hängen, ein leichter Zug folgt auf den nächsten, bis das Kleidungsstück auseinanderfällt. Er hatte seine oberste Regel gebrochen: zu verschwinden, sobald sich Ärger ankündigte; Verluste abzuschreiben, so viel wie möglich mitzunehmen und die Kleidung zu wechseln, bevor er sich halb nackt in der Kälte wiederfand. Seine Anhänglichkeit und Arroganz hatten ihn an diesen Ort zurückgeführt. Saras Warnung klang ihm in den Ohren.
Er ging
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