Huete dich vor deinem Naechsten
sie ihn bekam.
»Ich kann nicht denken«, sagte er zu Jez.
»Lass uns für einen Moment rausgehen.«
Er folgte ihr in den Flur, wo sie sich an die graue Wand lehnte. Sie fischte ein Päckchen Kaugummi aus ihrer Tasche, kippte ein paar in ihre Hand und steckte sie sich in den Mund. Früher hatte sie geraucht, wenn auch nicht viel und nur, wenn sie wirklich Stress hatte. Jetzt kaute sie Kaugummi.
»Irgendwie war sie unsere einzige Spur«, sagte Jez nach einer längeren Kaupause.
»Wir haben immer noch Charlie Shane.«
»Der vermisst wird und in dessen Apartment wir nichts gefunden haben.«
Grady lehnte sich ebenfalls an die Wand, so dass sie Schulter an Schulter standen. Na ja - Schulter an Arm, weil er seine Kollegin um einen ganzen Kopf überragte. Er fragte sich, ob er seinen Fehler eingestehen sollte, dass sie recht gehabt hatte und sie nur aufgrund seines Vorschlags in einer Sackgasse gelandet waren. Er schaffte es nicht. Die Worte blieben ihm im Hals stecken.
Stattdessen sagte er: »Okay, dieser Book hat ausgesagt, er sei hergekommen, um Isabel zum Aufgeben zu überreden. Als er hier eintraf, kniete Isabel neben der Leiche. Sie hat behauptet, Marcus Raine habe Camilla ermordet. Er sei hier gewesen.«
»Wie ist Book ins Haus gelangt?«
»Er sagt, die Haustür habe offen gestanden. Er ist einfach reinmarschiert und die Treppe hochgestiegen.«
Jez kaute nachdenklich, zog einen Kuli aus der Tasche und fing an, die Mine schnappen zu lassen. »Aber Book ist Raine im Treppenhaus nicht begegnet«, entgegnete sie und ließ den Kuli schnappen. »Und die beiden anderen Ausgänge - Dachluke und Hintertür - sind mit Feuertüren gesichert, die einen Alarm ausgelöst hätten.«
Grady begann, die Kruste von seinen Fingerknöcheln zu zupfen. Die Wunden waren noch nicht verheilt, das Zupfen tat weh, und ein Blutstropfen quoll heraus. »Dann hat er Book auf der Treppe gehört, sich versteckt und ihn vorbeigehen lassen.«
»Oder Raine war nie hier.« Jez hatte ihn nicht angesehen, zog aber unaufgefordert ein Taschentuch heraus und reichte es ihm.
Crowe nahm es und tupfte sich vorsichtig die Fingerknöchel ab. Die Blutflecken auf dem weißen Tuch erinnerten ihn an Mohnblumen auf einer Schneewehe. »Ich kann mir Isabel Raine nicht als Mörderin vorstellen.«
Jez zog kurz die Schultern hoch und widmete sich wieder dem Spiel mit dem Kuli. »Jeder kann zum Mörder werden, wenn die Umstände passen.«
Grady wusste, dass Jez so dachte, aber er war anderer Meinung. Er war überzeugt, dass es einer besonderen Art von Egomanie bedurfte, um ein fremdes Leben auszulöschen, einer grundlegenden Überzeugung, das eigene Überleben und die eigenen Bedürfnisse stünden über allem. In Crowes Augen musste man mindestens ein Menschenhasser mit Borderline-Syndrom sein, um einen anderen Menschen zu töten, es sei denn, man handelte in Notwehr oder um Unschuldige zu retten. Selbst der wütendste Mensch muss eine gehörige Portion Arroganz mitbringen, um zu morden. So sah er Isabel nicht. Ihre Arroganz war von ganz anderer Art.
»Camilla Novak stellte unsere einzige Verbindung zum ursprünglichen Verbrechen dar«, sagte Jez. »Nun haben wir keine lebenden Zeugen mehr, nur noch die Akten von damals. Irgendwer hat das gewusst.«
»Vielleicht finden wir etwas in ihrer Wohnung«, meinte Grady. »Wer weiß.«
»Wir werden nichts finden«, entgegnete Jez schnell. Er wusste, dass sie an das Apartment und die Firma der Raines dachte, aus denen alle Unterlagen und Computer verschwunden waren. »Falls es hier etwas gab, hat einer der Raines es mitgenommen.«
»Einer der Raines? Du glaubst wirklich, sie könnte mit ihm gemeinsame Sache machen?«
Jez ließ eine Kaugummiblase platzen und schaute den Flur entlang. »Wo könnte Marcus Raine sich versteckt haben, als Book heraufkam?«
Grady blickte sich um. Sie befanden sich in einem typischen Downtown-Gebäude mit alten Kachelböden, hohen Decken, grauen Wänden und Steintreppen. »Vielleicht ist er die Treppe raufgestiegen«, erklärte er, »und wieder heruntergekommen, als Book im Apartment war.«
Jez legte den Kopf schief, stellte sich ans Treppengeländer und starrte hinunter. Sie nickte zögerlich.
»Book ging hinein, Isabel Raine kam heraus«, sagte Grady. »Angeblich will sie ihren Mann finden und die Finanzen ihrer Schwester wieder in Ordnung bringen.«
»Er hat sie einfach gehen lassen?«
»Was hätte er tun sollen? Sie festhalten?«
»Keine schlechte Idee. Wäre sie hiergeblieben,
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