Hüte dich vor Dracula
kam er näher und wimmelte dabei zwei Kunden ab, die etwas von ihm wollen.
»Was ist denn noch?«
»Es geht um Ihre Chefin, mein Freund.«
»Wieso? Was ist mit ihr?«
»Ich will wissen, wie Sie mit ihr ausgekommen sind?«
»Hervorragend«, sagte er. »Ich bin ausgezeichnet mit ihr ausgekommen. Ehrlich. Sie ließ mir freie Hand.«
»Dann können Sie den Laden jetzt allein leiten, Mister.«
»Was soll das denn heißen?«
»Ihre Chefin ist verschwunden!«
»Ach.«
»Ja, sie wird kaum mehr zurückkehren. Und wenn sie wider Erwarten trotzdem erscheint, möchte ich, daß Sie mich anrufen, Mister. Oder meinen Kollegen.«
Er bekam von uns zwei Visitenkarten, die er entgegennahm, aber nichts weiter sagte.
»Gut so?«
»Ja, Sir.« Er wurde auf einmal vornehm. »Darf ich fragen, was mit Reva geschehen ist?« Alles Gezierte war von ihm abgefallen. Er wirkte jetzt ziemlich normal.
»Fragen dürfen Sie. Eine Antwort bekommen Sie trotzdem nicht. Nehmen Sie einfach hin, daß sie den Laden nicht mehr führen wollte. Außerdem sollten Sie in den hinteren Räumen mal aufräumen.«
»Was meinen Sie denn damit?«
»Lieben Sie Särge?«
Er wußte nicht, ob er lachen oder weinen sollte, nur seine Lippen zuckten.
»In den hinteren Räumen steht ein großer Sarg«, sagte Suko. »Wußten Sie nichts davon?«
»Nein!« Die Antwort kam spontan, sie klang ehrlich. Wir glaubten sie ihm auch, denn wir gingen davon aus, daß Reva und Will Mallmann ihr eigenes Süppchen gekocht hatten und das Geschäft für sie nur Mittel zum Zweck gewesen war.
»Dieser Sarg, Sir, was soll ich mit ihm machen?«
Ich hob die Schultern. »Sie sind doch die kreative Person. Stellen Sie ihn meinetwegen in den Laden und packen Sie ihn voll mit den Vampirhemden.«
»Nein, das mache ich nicht.«
»Waren Sie überhaupt schon in den hinteren Räumen?« erkundigte ich mich.
»Nur selten.«
»Kennen Sie alle?«
»Ich… ich weiß nicht. Da sind die vielen Vorhänge. Also ich meine, daß man es wohl nicht allzu gern sieht, wenn wir uns als Personal dorthin verirrt haben. Das war Revas Reich.«
»Und Sie empfanden die Frau als normal?«
Er starrte Suko an. »Ja, warum nicht? Wieso denn? War etwas mit meiner Chefin?«
»Kaum. Sie haben auch nicht gesehen, daß sie mit einem Skelettarm umhergelaufen ist.«
»Aber ich bitte Sie! So etwas verkaufen wir vielleicht. Man kann doch seinen eigenen Arm nicht einfach gegen diesen künstlichen Knochenarm eintauschen.«
»Künstlich?« Suko mußte lachen, was den Knaben etwas irritierte, doch er gab keinen weiteren Kommentar ab. Wir hatten in dem Laden nichts mehr zu suchen und schärften dem Verkäufer noch einmal ein, die Augen offenzuhalten, was er auch versprach. Ob er sich an das Versprechen allerdings erinnern würde, wenn es darauf ankam, war fraglich.
Vor dem Geschäft atmeten wir tief durch. Über London stand eine Wintersonne. Sie leuchtete gegen den Dunst an und wirkte auf den Betrachter wie ein großer, bleicher Kreis.
»Kein Vampirwetter«, sagte Suko, der meine Gedanken erraten hatte.
»Die halten sich versteckt.«
Marek schlug mit der flachen Hand auf seinen Oberschenkel. »Wenn ich nur wüßte, wo sich dieses Versteck befindet, wäre ich froher. Hinzu kommt, daß sie bestimmt Helfer haben. Ich gehe davon aus, daß die Blutsauger nicht grundlos auf die Leinwand gemalt worden sind. Vielleicht ist jeder von ihnen auch lebendig, obwohl dieses Wort irgendwo nicht stimmt.«
Wir dachten über Mareks Worte nach und konnten ihm nicht widersprechen. Hinzu kam noch etwas anderes. Wir hatten Reva und Mallmann aufgeschreckt, sie gestört. Höchstwahrscheinlich waren sie gezwungen, endlich zu handeln. Deshalb würde — davon gingen wir aus — die nächste Nacht möglicherweise entscheidend werden. Über das Thema diskutierten wir in einem kleinen Pub, wo Marek auch noch etwas aß.
Als er das Sandwich gegessen und das Bier getrunken hatte, fragte er:
»Wo soll ich bleiben?«
»Bei mir«, sagte Suko schnell.
»Oder bei mir.«
»Tut mir leid, John, aber Suko hat schneller reagiert. Vielleicht kommen wir auch nicht mehr dazu. Unter Umständen müssen wir uns die Nacht auf Vampirjagd um die Ohren schlagen.«
»Weißt du was, Frantisek?«
»Nein.«
Ich tippte mit dem Fingernagel gegen den Rand meines Bierglases.
»Das wäre mir sogar am liebsten.«
Der Rumäne nickte. »Du wirst es kaum für möglich halten. Mir wäre es auch lieber.«
»Dann sind wir uns ja einig«, erklärte Suko. Er verlangte
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