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Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Weatherly
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während ich gesucht habe, wusste ich, wie sehr wir einander brauchten.«
    Das war so wahr, dass mir die Tränen in die Augen stiegen. Diesmal kam ich nicht dagegen an. Ich setzte mich auf und räusperte mich. »Seb, kann ich … versteh das jetzt nicht falsch, aber …«
    Verständnis breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er setzte sich ebenfalls auf und schwang die Beine vom Sofa. »Komm mal her«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Ein Bruder kann seine Schwester in den Arm nehmen, nicht wahr?« Er streckte seinen Arm aus.
    Ich rieb mir die Augen. »Ja, kann er. Und … es würde mir sehr gefallen.«
    Ich rutschte näher an ihn heran und eine Minute lang umarmten wir uns fest. Es fühlte sich einfach nur gut an, sich gegenseitig festzuhalten – wie etwas, das mir zeitlebens gefehlt hatte. Sebs Arme waren kräftig. Er roch nach Seife und verströmte eine Art sauberen holzigen Duft. Ich machte die Augen zu und drückte mich an ihn. Ich spürte seinen Herzschlag an meinem Herzen und das zarte Zittern, mit dem sich unsere Auren vermischten. Seb stieß einen Seufzer aus und ließ seinen Kopf an meine Schulter sinken. »Willow … wie schön es sich anfühlt, dich nach so langer Zeit endlich gefunden zu haben«, wisperte er. »Ich hatte die Suche schon aufgegeben, hatte mir gesagt: Du wirst dieses Mädchen niemals finden, sie existiert nicht.«
    Ich machte mich los. »Dieses Mädchen? Aber …«
    Er zögerte. Wieder fielen mir die goldenen Sprenkel in seinen haselnussbraunen Augen auf. »Ich wusste immer, dass du es warst, nach der ich gesucht habe«, sagte er. »Ich habe stets ganz intensiv gespürt, dass es nur noch einen anderen Halbengel gibt: Ein Mädchen in meinem Alter. Dann habe ich dein Bild gesehen, und deinen Traum – und ich wusste, dass ich recht hatte.«
    Mein Traum. Verlegen und verwirrt senkte ich den Kopf und schaute auf unsere Beine auf dem Sofa, die sich beinahe berührten. Wie sollte ich Seb den Traum erklären, wenn ich ihn mir selber nicht erklären konnte? Hatte ich ihn gerufen, ohne mir dessen bewusst zu sein? Ich wusste es nicht. Dass es irgendwie vorherbestimmt war, dass unsere Wege sich kreuzten, war das Einzige, was ich mit Sicherheit wusste.
    »Warum hast du Alex nichts von meinem Traum erzählt?«, fragte ich plötzlich.
    Die Frage schien Seb zu überraschen. »Es hat sich zu persönlich angefühlt. Wie etwas, das nur uns beide etwas angeht.«
    Unglücklicherweise hatte er recht. Ich stieß zitternd die Luft aus. Wenn auch Sebs Gefühl stimmte, und tatsächlich ich es war, nach der er die ganze Zeit gesucht hatte … was hatte das zu bedeuten? Immerhin liebte ich einen anderen.
    »Aber es muss doch noch mehr Halbengel geben«, sagte ich nach einer kurzen Unterbrechung. »Wir können unmöglich die einzigen sein, oder?«
    »Ich habe nie einen gesehen«, sagte Seb schulterzuckend. »Nie.«
    Flüchtig fragte ich mich, ob Raziel wohl jemals in Mexiko gewesen war, aber ich wusste, dass das eigentlich keine Rolle spielte. Denn ich war überzeugt, das Seb nicht mein Halbbruder oder überhaupt mit mir verwandt war – nichts an Seb fühlte sich nach Familie an, so wie ich es von Mom und Tante Jo kannte. Nein, Seb und ich waren genau das, wonach es aussah – ein Halbengel-Junge und ein Halbengel-Mädchen, zwischen denen, abgesehen von der Kraft, die uns irgendwie zueinandergetrieben hatte, keinerlei Verbindung bestand.
    Ich konnte spüren, dass Seb sich ebenfalls darüber im Klaren war.
    Keiner von uns sprach. Ich starrte Seb an und registrierte seine hohen Wangenknochen, die schöne Form seines Mundes – und ich dachte: Mein Gott, was, wenn wir wirklich die beiden einzigen Halbengel auf der ganzen Welt sind? Wieder schoss mir mein Traum durch den Kopf. Wie er die Hand nach mir ausgestreckt und mich querida genannt hatte. Wie ich nur noch einen einzigen Wunsch gehabt hatte: Bei ihm zu sein. Und wie mich allein der Gedanke, jemals wieder ohne ihn zu sein, mit Verzweiflung erfüllt hatte. Und Seb wusste, dass ich dies geträumt hatte.
    Er sah mir unverwandt in die Augen. Als ich an seine Gefühle dachte, die ich am Vortag zu spüren geglaubt hatte, fingen meine Wangen an zu brennen. Mein Traum konnte nicht bedeuten, was er zu bedeuten schien. Basta. Wenn Seb also dachte, dass zwischen uns eine Art Seelenverwandtschaft herrschte, dann täuschte er sich. Ganz gleich, was für eine Verbindung zwischen uns beiden bestand, es war immer noch Alex, den ich liebte. Alex, mit dem ich den Rest meines Lebens

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