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Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Weatherly
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wollte ich sagen. Trotzdem habe ich dem Jungen, den ich über alles liebe, weiß Gott was für einen Schaden zugefügt. Ich machte mir nicht die Mühe, die Worte laut auszusprechen. Und was Mom anging, darüber konnte ich nun schon gar nicht nachdenken. Es … ich konnte einfach nicht.
    Wir näherten uns dem Haus, es sah so verlassen aus wie immer. Draußen zögerte ich kurz, während mir die kühle Mexico-City-Brise durch die Haare fuhr. Ich hatte den Ordner wieder in meine Jacke eingeknöpft und als ich meine Brust berührte, spürte ich seine Pappkanten. Ich wollte Alex so dringend sehen und zugleich fürchtete ich mich davor wie vor nichts sonst auf der ganzen weiten Welt.
    Bitte, sei immer noch wütend auf mich, dachte ich. Bitte -das macht es für uns beide so viel einfacher. Der Gedanke daran, was ich andernfalls tun musste, war schier unerträglich.
    »Seb, hilfst du mir, wenn es nötig wird?«, fragte ich irgendwann mit schwacher Stimme.
    »Ja, ich helfe dir.« Aber er machte ein bekümmertes Gesicht. Ich spürte, dass er das Ganze beinahe ebenso verabscheute wie ich.
    Als wir hereinkamen, saß Kara am Küchentisch. Sie hatte den Kopf schwer auf eine Hand gestützt, vor ihr stand eine unberührte Kaffeetasse. Mit einem Ruck hob sie das Kinn, als sie uns sah und riss ihre braunen Augen auf.
    »Hi«, sagte ich. »Wir, ahm … hatten etwas Ärger.« Da ich an die Explosionen dachte, die die Kathedrale erschüttert hatten -an die Schreie, die Leichen – klang meine Stimme dünn und unwirklich.
    Kara schüttelte langsam den Kopf. Immer noch starrte sie uns an. »Oh mein Gott, du bist wirklich okay«, murmelte sie. Zu meiner Überraschung verzog sich ihr Gesicht zu einem breiten Lächeln. »Ich kenne jemanden, der sich wahnsinnig freuen wird, dich zu sehen!« Sie sprang auf, ihr Stuhl schlitterte über den Boden. »Alex!«, brüllte sie in die Richtung des Jungenschlafsaals. »Alex, Willow ist hier!«
    Ich war von Furcht und Sehnsucht erfüllt. Ich schluckte, holte den Aktenordner unter meiner Jacke hervor und legte ihn auf den Küchentisch. Obwohl Seb ein Stück weit von mir entfernt stand, konnte ich seine Anteilnahme spüren. Kara drehte sich mit einem erleichterten Grinsen zu mir um. »Er war die ganze Nacht unterwegs und hat nach dir gesucht. Er ist erst seit einer Stunde wieder da. Ich habe mir noch nie solche Sorgen um ihn gemacht, noch nicht einmal nach Jakes Tod. Er war sicher, dass du umgekommen bist –«
    »Willow!« Alex stürzte in die Küche. Sein schönes Gesicht war mit blauen Flecken und Verbrennungen übersät, unter seinen Augen lagen dunkle Ringe – und seine Aura war genauso, wie Seb sie mir beschrieben hatte. Kurz erhaschte ich einen herzzerreißenden Blick auf trübe Blau- und Goldtöne, und dann hatte Alex mich auch schon in seine Arme gerissen, bevor ich ihn aufhalten konnte. »Oh Gott, du lebst …« Ich konnte fühlen, wie er zitterte, während er mich festhielt, und einen hilflosen Moment lang konnte ich nicht verhindern, dass ich seine Umarmung erwiderte. Ich schmiegte meinen Kopf ganz fest an seinen warmen Hals und seine harte, starke Schulter. Alex.
    »Willow, es tut mir leid, so leid …« Er vergrub seine Finger in meinen Haaren, während er meine Wangen küsste, meine Augen, meinen Mund. »Ich bin so ein Idiot gewesen. Bitte, bitte, verzeih mir.«
    Kara hatte sich taktvoll verkrümelt, aber Seb stand immer noch mit ausdruckslosem Gesicht in der Nähe des Tisches. Und zu meiner größten Bestürzung wusste ich, dass ich ihn brauchte, um der Sache die nötige Glaubwürdigkeit zu verleihen.
    Ich mobilisierte meine letzten Reserven, um mich von Alex zu lösen. »Nicht, ahm … lass das, bitte«, sagte ich und trat einen Schritt zurück.
    Er erstarrte, als hätte ich ihm eine Ohrfeige verpasst. Ich sah, wie er schluckte. »Willow, ich … ich weiß, ich habe mich aufgeführt wie ein mieser Kontrollfreak. Du hast jedes Recht, immer noch sauer auf mich zu sein – wenn du mir niemals vergeben würdest, geschähe mir das recht. Aber …« Mit einem plötzlichen Stirnrunzeln warf er Seb einen Blick zu und legte mir sanft eine Hand auf die Schulter. »Komm, wir gehen irgendwohin, wo wir ungestört reden können –« Er brach ab, als ich seine Berührung abschüttelte.
    »Nein, nicht. Ich meine … danke, aber das bringt doch nichts.«
    »Bringt nichts?«, echote er und starrte mich an.
    Ich versuchte, meine Stimme normal klingen zu lassen, so als würde nicht gerade alles in mir

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