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Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Weatherly
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unterhielten. Alex war in seinem Zimmer, wie ich mühelos feststellen konnte. Und er dachte, dass Seb der war, den ich liebte. Dass wir beide … Ich schluckte und konnte den Gedanken kaum zu Ende führen.
    Auf einmal wollte ich nur noch raus aus dem Haus, und zwar allein. Ich wollte mit niemandem mehr zusammen sein müssen, noch nicht einmal mit Seb. Nein, ganz besonders nicht mit Seb. Bei der Vorstellung, jetzt mit ihm allein zu sein, in dem Wissen, was Alex glaubte – und in dem Wissen, dass unser Kuss das Körnchen Wahrheit an der ganzen Sache war – wand ich mich innerlich vor Verlegenheit.
    Der Gedanke verschwand so schnell wieder, wie er gekommen war. Aber Seb hatte ihn mitbekommen und versteifte sich.
    Sein Kummer versetzte mir einen Stich. Als Antwort auf meinen unausgesprochenen Einfall sagte er ruhig: »Ich überlasse dich nicht einfach deinem Schicksal. Selbst ohne die Engel wäre el DF gefährlich für ein weißes Mädchen, das kein Wort Spanisch spricht. Wenn das alles hier erst mal vorbei ist, gehe ich, wenn es das ist, was du willst – und du musst mich nie wiedersehen. Aber in dieser Stadt lasse ich dich nicht allein.«
    Mir war kalt, und ich fühlte mich nicht mehr wie ich selbst. »Okay, du hast recht«, sagte ich mit teilnahmsloser Stimme. »Und es ist nicht so, dass ich dich nie wiedersehen will. Momentan … ist nur alles so kompliziert.«
    »Was dich und Alex angeht, ja. In unserem Fall ist es nur so kompliziert, wie du es machst«, sagte Seb barsch. Er nahm mir die Reisetasche ab und stopfte sie mit Müh und Not in seinen Rucksack, der sich ausbeulte, als er den Reißverschluss zuzog. Mit ausdrucksloser Miene schwang er sich die Tasche wieder über die Schulter. »Bist du so weit?«
    Fast hätte ich gefragt, wo wir hingingen, aber dann merkte ich, dass es mich eigentlich nicht wirklich interessierte. Langsam griff ich in meine Hosentasche und zog die Halskette heraus. Ich schloss meine Finger darum, spürte, wie sich der geschliffene Anhänger in meine Handfläche bohrte, und dachte an den Ausdruck in Alex’ Augen, als er sie mir geschenkt hatte. Dann legte ich sie auf den Küchentisch neben den Ordner. Der tränenförmige Kristall rollte ein wenig hin und her, funkelnd wie ein Diamant.
    »Ja, ich bin so weit«, sagte ich leise.

26
     
     
    Irgendwie ging auch dieser Tag vorbei – obwohl Alex nicht genau wusste, wie. Nachdem Willow und Seb weg waren, ging er die Pläne auf dem USB-Stick nochmals in allen Einzelheiten durch. Er hielt mit dem Team ein Schießtraining ab, aß ein Abendessen, das wie Sägemehl schmeckte. Der gezwungenen Unterhaltung und den besorgten Seitenblicken nach zu urteilen wussten alle, dass Willow die Nacht mit Seb verbracht hatte, während er wie ein Volltrottel sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte, als er die Straßen, in denen die Krawalle tobten, nach ihr abgesucht hatte. Er nahm an, dass Kara es ihnen erzählt hatte. Er war auf dem Weg zu seinem Zimmer mit ihr zusammengestoßen und hatte ihr berichtet, was passiert war. Ihr schockierter Gesichtsausdruck hatte ihn beinahe gefreut. »Oh Alex«, hatte sie geflüstert. »Es tut mir so leid …«
    »Tja, das muss es nicht«, hatte er gesagt. »So bin ich besser dran.«
    Die Muskeln ihrer schlanken Arme waren angespannt. Sie war fuchsteufelswütend. »Gott, ich fass es nicht! Und ich habe dagesessen und sie angelächelt! Na warte, ich –«
    »Nein, lass sie gehen«; war er ihr ins Wort gefallen. »Ich will einfach nur, dass sie verschwinden, okay? Das reicht mir.«
    Und so hatten sie ohne Zwischenfälle das Feld geräumt, obwohl Willows Kette auf dem Küchentisch zusätzlich Salz in Alex’ Wunden gestreut hatte, als er sie später fand. Kara war dabei gewesen und hatte sofort seinen Blick gesucht. »Alex …«, hatte sie angesetzt.
    »Vergiss es!« Er hatte die Halskette mit dem schimmernden Anhänger genommen – der Anhänger, der ihn so sehr an Willows Engel erinnert hatte, wenn ihre Flügel in der Sonne funkelten – und ihn grob in seine Tasche gestopft, wobei er sich fragte, warum er ihn eigentlich nicht gleich in den Müll schmiss.
    »Okay«, sagte er. »Lass uns die Pläne durchgehen.«
    Und für ein paar Stunden war es ihm tatsächlich geglückt, darüber alles zu vergessen, trotz des ungläubigen Stimmchens in seinem Inneren, das immer noch vor sich hin blökte: Ich glaube es nicht. Willow würde so was nicht tun. Nie und nimmer. Wann immer er es hörte, trampelte er im Geist so lange auf der Stimme herum,

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