Hueter der Daemmerung
Handgelenk. »Es tut mir leid, dass ich vorhin so mit dir geredet habe«, murmelte er. »Wirklich, das war total daneben.«
Seine Augen waren so wunderschön. Wie ein sturmdurchtoster Himmel, der sich in einem blauen Meer spiegelte. Meine Ängste begannen sich zu legen, als ich in sie hineinblickte. Du reagierst panisch, sagte ich mir. Er hat früher schon Migräne bekommen und momentan weiß er nicht, wo ihm der Kopf steht, vor lauter Stress. Er hat recht. Es hat nichts mit dir zu tun.
Ich ließ meine Finger durch sein dunkles Haar gleiten. »Ich wollte mich nicht vor allen mit dir streiten«, sagte ich leise. »Es ist nur so, dass wir immer alles gemeinsam entschieden haben.«
»Ich weiß«, sagte er. »Das tun wir auch immer noch. Ich brauche dich, Willow. Aber diesmal ist es anders. Ich will nicht, dass du auch nur einen Fuß in die Nähe der Kathedrale setzt, außer, uns bleibt keine andere Wahl. Es ist zu gefährlich.«
Ich hasste es, auf meiner Meinung zu beharren, wenn er solche Schmerzen hatte, aber ich musste es sagen: »Sogar dann nicht, wenn wir mehr über das Konzil herausfinden könnten? Sodass wir genau wüssten, was uns erwartet?«
»Aber wie wahrscheinlich wäre das? Du hast bisher nie etwas Konkretes herausgefunden, indem du dich in einem Gebäude aufgehalten hast. Du hast höchstens ein paar diffuse Gefühle aufgefangen.«
»Ich weiß, aber es könnte trotzdem eine Chance sein, wenn auch nur eine winzige. Alex, wenn nun nicht ich ein Halbengel wäre, sondern jemand anderes aus dem Team –«
»Dann würde ich haargenau dasselbe sagen«, unterbrach er mich. »Im Ernst, hier geht es nicht darum, dass ich dich liebe. Das Risiko ist einfach zu hoch. Die Engel geben sich dort die Klinke in die Hand. Es könnte das gesamte Unternehmen gefährden, wenn sie mitkriegen, dass du in der Stadt bist.«
Ich seufzte – so gesehen hatte er nicht unrecht. Nach einer Weile beugte ich mich vor und küsste ihn. Er reckte das Kinn in die Höhe und erwiderte den Kuss. Nur allmählich lösten sich unsere Lippen wieder voneinander. »Okay«, sagte ich. »Du bist der Boss.«
»Ja, womit hab ich das bloß verdient? Ich muss in meinem letzten Leben ein echt mieser Typ gewesen sein, oder so.« Er lächelte, doch in seinen Augen stand noch immer der Schmerz. Er streckte die Hand aus und berührte eine meiner Haarsträhnen. »Nicht weggehen, okay?«
»Schsch. Ich gehe nirgendwohin.« Ich fuhr fort, meine Finger über seine Stirn gleiten zu lassen. Nach und nach entspannten sich seine kräftigen Schultern. Er machte die Augen wieder zu. Sein Atem ging langsamer, wurde regelmäßiger.
Ich konnte den Fernseher hören, Stimmen. Nichts davon interessierte mich. Ich blieb bei dem Jungen, den ich liebte, lange nachdem er eingeschlafen war – sanft liebkoste ich seine Stirn und versuchte, den Schmerz von ihm fernzuhalten.
Bei ihrem Training mit den beweglichen Zielscheiben machten die anderen AKs weiterhin Fortschritte, so lange, bis Alex Kampfsituationen mit ihnen durchspielte – er scheuchte sie quer durch den Raum, ließ sie sich zu Boden werfen, abrollen und dann schießen, solche Sachen. Woraufhin ihre Trefferquote aufs Neue rapide sank. Aber ich konnte sehen, dass es diesmal nicht lange dauerte, bis sich ihre Ergebnisse wieder verbesserten. Der mit Abstand beste Schütze war Sam. Offensichtlich hatte er die Schießkünste, die Alex neulich mit seiner Pistole demonstriert hatte, als persönliche Herausforderung aufgefasst. Wesleys Umgang mit der Waffe war zunächst genauso unbeholfen gewesen wie sein Umgang mit Menschen, aber jetzt lag er nicht weit hinter Sam zurück und Trish war ungefähr so gut wie er – sie schien in einer einzigen Bewegung zu zielen und zu schießen, fast reflexartig. Ich weiß nicht, warum mich das überraschte, außer dass Trish so nett war, dass sie und eine Waffe zwei verschiedene Paar Schuhe zu sein schienen. Brendan und Liz waren auch nicht schlecht. Ihre Leistungen waren konstant genug, um verlässlich zu sein. Mindestens.
Im Gegensatz zu meinen. Obwohl ich ein festes Ziel mittlerweile ganz gut traf, lag meine Erfolgsquote auch weiterhin unter neunzig Prozent. Ich konnte die Angewohnheit, jedes Mal zusammenzuzucken, wenn ich abdrückte, nicht überwinden. Ich glaubte nicht, mich jemals daran gewöhnen zu können – an das kalte Gewicht der Waffe, den beißenden Geruch des Schießpulvers.
Ich stand im Schützenstand, ringsherum war gedämpftes Pistolenfeuer zu hören. Ich zielte und
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