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Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Weatherly
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ich mir Wasser ins Gesicht. Meine Augen im Spiegel sahen groß und verängstigt aus, mein Gesicht war blass. Okay. Das hier war schlecht. Das hier war richtig, richtig schlecht. Ich musste es Alex erzählen, aber was konnte er schon tun? Er würde auch nicht wissen, was los war, ebenso wenig wie ich. Trotzdem konnte ich es ihm nicht länger verheimlichen, ganz egal, wie wenig ich selbst den Tatsachen ins Auge blicken wollte. Dazu war die Situation viel zu ernst geworden. Die Möglichkeit, dass ich tatsächlich für seine Migräne verantwortlich sein könnte (und dass sie eventuell nur ein Symptom für etwas weitaus Schlimmeres war), kam mir wieder in den Sinn und ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Plötzlich kam es mir nur allzu wahrscheinlich vor. Ich wollte so gerne glauben, dass es nicht stimmte – dass meine Berührung ihn nicht verletzte –, aber wie konnte ich das wissen, wenn ich dieses Ding in mir hatte, das ich nicht einmal mehr verstand?
    Ich erhaschte im Spiegel einen Blick auf meinen Kristallanhänger und erstarrte. Ich hörte Alex’ Stimme sagen: »Dein Engel ist du, sie ist ein Teil von dir. Und das heißt, sie ist … alles, was ich liebe.«
    Alex hatte immer daran geglaubt – immer – dass mein Engel nicht unabhängig von mir existierte, sondern einfach nur ein weiterer Aspekt meiner Persönlichkeit war. Was würde er denken, wenn er erfuhr, dass das nicht stimmte? Dass sie eigene Gedanken hatte, dass ich sie nicht einmal mehr kontrollieren konnte?
    Meine Hände waren eisig kalt. Mit weichen Knien stützte ich mich auf das Waschbecken und stellte mir seinen Gesichtsausdruck vor, wenn er es herausfand. Oh Gott, er hatte mich vor dem gesamten Team in Schutz genommen und ihnen erzählt, dass sie mir vertrauen konnten, und jetzt … Ich schluckte. Bei dem Gedanken, dass seine schönen Augen mich voller Grauen oder Argwohn ansehen könnten, wurde mir schlecht. Ich wusste, wie sehr er mich liebte, aber die Engel hatten seine gesamte Familie ermordet. Er hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, sie zu bekämpfen. Konnte er weiterhin dasselbe für mich empfinden, wenn er herausbekam, dass mein Engel ihren eigenen Willen hatte? Ich musste es ihm sagen. Ich wusste, ich hatte keine Wahl. Aber wie?

11
     
     
    Jenny saß mit übereinandergeschlagenen Beinen auf der anderen Seite des Schreibtischs, strahlend vor Glück – wenn sie auch ein wenig müde und ausgelaugt wirkte. »Würden Sie gerne ein Treffen mit ihm vereinbaren, Sir?«, fragte sie.
    Raziel überflog den Ausdruck der E-Mail, um die es hier ging, während er mit einem Bleistift auf die Tischplatte klopfte. Die Ortschaft Silver Trail lag ein paar Dutzend Kilometer weiter oben in den Rockies, und zu dieser Jahreszeit konnte das Wetter dort scheußlich sein. Trotzdem war der Vorschlag faszinierend.
    »Was meinen Sie denn?«, fragte er und lächelte Jenny zu. Ihr beinahe züchtiger Hosenanzug umschmeichelte ihre Figur. Er konnte sich nicht mehr vorstellen, warum er so viel Zeit mit einem männlichen Assistenten vergeudet hatte, dessen Energie er nicht einmal anziehend fand. Er musste verrückt gewesen sein.
    Sie errötete. Ihre Augen leuchteten. »Ich finde, das ist eine wundervolle Idee – wirklich wundervoll. Sie könnte das Leben so vieler Menschen verändern.«
    Das könnte sie, in der Tat. Raziel hatte bereits darüber nachgedacht, wie er das Vorhaben zu seinem Vorteil nutzen konnte. »Ich glaube, du hast recht«, sagte er und gab ihr den Ausdruck zurück. »Nur zu, vereinbare das Treffen.«
    Nachdem Jenny gegangen war, verflüchtigte sich Raziels gute Laune. Treffen anzuberaumen, als sei nichts passiert, war ja schön und gut, doch mittlerweile lagen seine Nerven blank.
    »Es wird keine Veränderungen in der Kirche geben. Das verspreche ich.«
    Raziels Miene verdüsterte sich, als er sich das Fernsehinterview wieder ins Gedächtnis rief. Ein paar Tage lang hatte es die Schlagzeilen beherrscht und sein eigenes Bild hatte ihm von den Titelseiten aller großen Tageszeitungen entgegengelächelt. Das war vermutlich kein besonders kluger Schachzug gewesen. Aber als ihm die Frage gestellt worden war, hatte er in der Kathedrale an exakt derselben Stelle gestanden, an der das Konzil ihn wie einen ungezogenen Schuljungen zu einer Unterredung gebeten hatte. Bei dem Gedanken daran war Ärger ihn ihm aufgewallt, und ihm waren die Worte wie von selbst über die Lippen gekommen. Sie auszusprechen hatte ihn zu jenem Zeitpunkt mit einer tiefen

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