Hüter der Flamme 01 - Die Welt des Meisters
Freude. »Gib es auf der Stelle zurück!«
»Ich weiß überhaupt nicht, wovon du redest – und wie kommst du eigentlich dazu, mir Befehle zu geben?«, Jason stützte sich mit dem Armstumpf auf und zog ein Bein sprungbereit zurück. Er verhielt sich wie ein routinierter Dieb, den man erwischt hatte: Zuerst leugnen, dann frech werden und zum Schluß rennen.
Ahira faßte Jason am Ärmel und schüttelte die Münze heraus. Er hob sie auf und gab sie Doria. »Keine Sorge. Ich mache ihm schon keine Scherereien. Aber nur dies einemal!« Dann wandte er sich wieder an Jason. »Aber wir haben schon genug Schwierigkeiten. Ich will nicht, daß du noch mehr machst. Verstanden, Flinkfinger?«
»Ich heiße Jason.« Aber der Name fühlte sich merkwürdig im Mund an. »Und ich will nach Hause.«
Der Zwerg half ihm auf die Füße. Im Stehen reichte ihm Ahiras Kopf kaum bis in Brusthöhe. Ahira hob seine Streitaxt aus dem feuchten Gras und prüfte mit einem ziemlich abgekauten Daumennagel die Schneide. »Über zwei Dinge solltest du dir klar sein. Erstens, um auf deine Frage zu ant w orten – das hier sagt, daß ich das Kommando führe. Zu Hause hat mich die Gruppe zum Mannschaftsführer gewählt. So ist es, und so wird es auch bleiben.
Und zweitens, wir werden nach Hause gehen.« Ahira wollte noch etwas hinzufügen, aber machte den Mund wieder zu. Dann schüttelte er den Kopf. »Ruh dich erst mal eine Zeitlang aus und finde dich zurecht. Doria, komm! Laß uns nach dem Magier sehen.«
Karl Cullinane hatte sich oft vorgestellt, Andy-Andy in seinen Armen zu halten. Aber in seinen Träumen hatte sie niemals geweint. »Es wird alles gut.« Unbeholfen klopfte er ihr auf den Rücken.
Aber das waren nicht seine Arme. Das war nicht sein Körper. Nicht ganz. Karl war durchschnittlich groß und mager. War. Jetzt überragte er sie, als er sie hielt. Er gab sich Mühe, sie nicht zu eng an sich zu pressen. Irgendwie wußte er, daß er mit einem Händedruck einem kräftigen Mann das Rückgrat brechen konnte.
Nach einer Weile hörte ihr Weinen auf. Er ließ sie los, und wischte ihr mit dem weiten Ärmel ihres grauen Gewandes die Tränen aus den Augen. »Fühlst du dich besser?«
»N-nein. Ich habe Angst. Was ist passiert?« Sie rieb sich die Schläfen. »Ich … fühle mich so komisch. Wieso weiß ich, daß ich mich unsichtbar machen kann oder euch verzaubern oder einschlafen lassen kann? – Es ist so, als wäre da etwas in meinem Kopf, das versucht, herauszukommen.«
Ihre Lippen bewegten sich. Er hielt ihr die Hand vor den Mund. »Nein! Höre mir nur zu. Sage nichts!« Ihre Augen wurden groß. Sie hob die Hände und zog an seinem Arm. »Nein! Wenn du mich verstehst, nicke, dann nehme ich die Hand weg.«
Ihr Kopf bewegte sich. Er ließ die Hand sinken. »Tu das ja nicht noch einmal«, sagte sie und schubste ihn mit der Handfläche gegen die Brust.
Beinahe hätte er gelacht. Aber er trat einen Schritt zurück. »Schon gut; aber sei vorsichtig, was du sagst. Du hast drei Zaubersprüche in deinem Kopf, und die wollen heraus.«
»Woher weißt du das?«
Er zuckte mit den Achseln. Ich weiß es nicht. Aber ich weiß es doch. »Es ist … als ob ich einen doppelten Verstand habe. Einer ist Barak, der andere bin ich.« Daß ein Magier ständig die Zaubersprüche zügeln mußte, konnte nur Barak wissen. Es mußte so sein: Karl hatte es nicht gewußt. Das gehörte zum Spiel. Er beugte sich langsam nach unten und hob sein Schwert, das noch in der Scheide steckte, aus dem Gras auf. »Barak weiß, wie man damit umgeht, ich nicht.« Das Schwert war lang, beinahe drei Fünftel seiner Körpergröße. Ohne es aus der Scheide zu ziehen, wußte er trotzdem, daß es nur eine Schneide hatte, wie ein japanisches Samurai-Schwert, aber gerade, nicht krumm. Es war hauptsächlich eine Schlagwaffe, konnte aber auch zum Zustoßen benutzt werden. »Und warum ist es nicht irgendwo befestigt? Dann würde das Ziehen zu lange dauern.« Er packte mit der linken Hand den mit einer Schnur umwundenen Griff fast am Knauf. Um das Schwert zu ziehen, mußte er nur die Scheide abstreifen, die rechte Hand an die richtige Stelle am Griff legen und zuschlagen. Das war eine der Spielregeln: Bring dein Schwert ins Spiel und hebe die Scheide irgendwann später auf.
Es war wichtig, die Klinge sauber und trocken zu halten. Ungerufen stieg vor ihm ein Bild auf, wie seine Hände – seine Hände – mit den Haaren eines toten Feindes die Klinge blank rieben.
»Aber was ist
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