Hüter der Flamme 01 - Die Welt des Meisters
Antwort zu warten, ging Aristobulus entschlossen auf den Bogen zu und schritt hindurch. Als er dies tat, umgab ein schwacher roter Schein die Umrisse seines Körpers, der wieder verblaßte, als der Magier außer Sichtweite ging, ohne sich umzusehen.
Darüber muß ich mit ihm noch später ein ernstes Wort reden, dachte Ahira und stellte sich genüßlich vor, wie er Aristobulus' Kopf gegen eine Mauer schlug. Bis sie wieder auf der anderen Seite waren, schwebten sie alle in Gefahr. Einfach wegzugehen, ohne ihn zu fragen, das würde sich nicht wiederholen. Bei keinem!
Tschalla schob Ahira auf den anderen Ausgang zu, wo ein gelangweilter Mensch mit weißem Bart hinter einer Tür saß, die aus dicken Stahlstäben bestand und in einem Buch mit Ledereinband las. Mit tiefem Seufzen schloß er das Buch und hob den Kopf. »Was gibt's?«
Tschalla riß sich zusammen und nahm beinahe stramme Haltung ein. »Der Zwerg ist hergekommen, um die Bibliothek zu benutzen, Sir. Das hat jedenfalls sein Freund gesagt.«
»Ein Zwerg? Welcher Freund?«
»Ein Magier, Sir.«
»Bist du dir da sicher?« Der alte Mann zog skeptisch eine Braue hoch. »Mit so einem dabei?«
»Ganz sicher, Bibliothekar. Er ist sofort durch den Bogen der Magier gegangen. Da gibt es doch gar keine andere Möglichkeit, oder?«
Achselzucken. »Na schön. Und wenn, geht es uns nichts an. Zunftmeister der Magier haben den Bogen gebaut. Sie sind dafür verantwortlich.« Er streckte eine offene Hand durch die Stäbe. »Das macht zwei Goldstücke.«
Ahira griff in seinen Beutel und holte eine Goldmünze heraus. »Ich dachte, es wäre ein Goldstück.«
»Zwei.« Der Bibliothekar deutete auf eine Tafel, die auf der Wand neben der Tür hing. »Kannst du nicht lesen?«
»Nein.« Ahira zuckte mit den Achseln und holte noch eine Münze heraus.
»Was willst du dann aber hier? Schon gut, geht mich nichts an. Bloß die Neugier eines alten Mannes. Wir sehen hier nicht allzu viele Zwerge.«
Und bei den Preisen wirst du auch in Zukunft nicht allzu viele sehen. Ahira ließ die Münzen in die welke Hand fallen.
Der Bibliothekar seufzte und steckte die Münzen in den Schlitz einer Steinkiste, deren Deckel mit Stahlband und schwerem Vorhängeschloß gesichert war. »Komm-rein-und-sei-willkommen«, sagte er. »Wache, du kannst wieder auf deinen Posten zurückgehen. Und zwar schnell, falls du deine Stellung behalten willst.« Die Tür ging knarrend auf. Mit einer Handbewegung scheuchte der Bibliothekar Ahira hinein. »Komm jetzt. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«
Ahira ging hinein. Der Raum war klein, aber vollgestopft mit Bücherregalen und Buchrollen haltern, manche beschriftet, manche nicht. Alles verströmte den angenehmen Duft von altem Papier und uraltem Pergament. Hinter dem letzten Regal konnte man durch eine offene Tür einen Blick auf einen Korridor mit Marmorfußboden werfen.
Der Bibliothekar ließ sich auf einem Stuhl mit hoher Rü ck enlehne nieder und faltete die Hände im Schoß. »Nun, warum bist du hergekommen? Du kannst nicht lesen und … «
»Das geht Euch überhaupt nichts an.« Er konnte unmöglich eine Erklärung abgeben. Ahira war sich nicht sicher, wie sie die angeblich Geisteskranken hier behandelten; aber er war verdammt sicher, daß er keine Erfahrung aus erster Hand erhalten wollte.
»Na schön.« Der alte Mann seufzte. »Aber deine Unverschämtheit wird dich teuer zu stehen kommen. Noch ein Goldstück, bitte.«
Ahira trat einen halben Schritt vor. »Ich könnte dich mit bloßen Händen … «
Wiiit! Der Mann spitzte die Lippen und pfiff durchdringend. Seine Mühe wurde sofort belohnt. Auf dem Korridor trampelten schwere Schritte. Innerhalb von Sekunden war Ahira im Mittelpunkt eines Halbkreises aus fünf Bogenschützen, die mit gespannten Bogen auf seinen Kopf zielten.
»Das dürfte ja nun reichen!« sagte der Bibliothekar. »Ich bin Callutius, Zweiter Bibliothekar. Du sprichst mich entweder mit meinem Titel oder einfach mit › Sir ‹ an – und immer, immer mit Respekt. Ist das klar?«
»Ja, Sir.«
Callutius schenkte ihm ein saures Lächeln. »Ein Goldstück für Unverschämtheit plus eins für die Information macht zwei. Bitte.«
»Information?«
Callutius schien ihn nicht zu hören.
» … Sir?«
»Meinen Namen und Titel, Dummkopf.« Er streckte seine Hand aus und nahm Ahiras Gold. Eine Münze steckte er in die Kiste, die andere verstaute er in einer Falte seiner gelben Schärpe. Callutius faltete die Hände vor dem Kinn. »Und
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