Hüter der Flamme 02 - Das Schwert des Befreiers
würde. Aber das spielt ja jetzt keine Rolle mehr.« Das Lächeln auf seinem Gesicht verschwand. »Was bedrückt dich?«
»Ein Anfall von Heimweh, glaub ich.«
»Dir fehlt Andrea.«
»Ja, sicher ... aber eigentlich habe ich ans Zuhause-Daheim, nicht ans Tal-Daheim gedacht.« Karl lockerte die Tunika, um seine Rippen zu kratzen. »Ich glaube, ich könnte einen Finger für ein Stück Seife tauschen, oder ein Pfund Kenia-Kaffee oder eine Packung Toilettenpapier ... zum Teufel, sogar für eine Pizza.«
»Du beschwerst dich dauernd. Warum regst du dich so auf? Wenigstens müssen wir jetzt nicht jede verdammte Nacht draußen pennen. Die Betten sind vielleicht nicht Roßhaarmatratzen; aber sie sind weich.«
Karl nickte. Der Zwerg hatte nicht unrecht. In den vierzig Tagen, die sie nun unterwegs waren und sich in die Mittelländer durchgeschlagen hatten, war es ihnen nicht immer gut gegangen.
Es war nicht besonders gefährlich gewesen. Die einzige Sklavenkarawane, der sie begegnet waren, hatte so wenig Mühe gemacht, daß Karl diesen Zwischenfall nicht für eine ernsthafte Probe für Fialt und Tennetty hielt.
Die Sklavenhändler hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht, Wachen aufzustellen. Die verstorbenen Sklavenhändler.
Karl hatte siebzehn ehemalige Sklaven ins Tal schicken können. Einer hatte auch einen Brief an Andy-Andy dabei. Karl hatte keine Bedenken, daß die Gruppe das Tal nicht finden würde, solange sie nur in der Nähe vorbeikam. Ellegon würde nachts Wache halten. Hatte der Drache sie erst ausfindig gemacht, würde er nahe genug fliegen, um ihre Gedanken zu lesen. Dann würde er sie in Empfang nehmen und führen.
Dort bestand keine Gefahr, für keinen.
Die einzig wirklich gefährliche Situation für Karl und die anderen hatte sich ergeben, als Fialt während einer Fechtstunde, ohne es zu wollen, Tennetty quer über den Bauch geschlitzt hatte. Zwei Schluck Heiltrank hatten den Schaden schnell behoben. Von da an wurde beim Training auf hölzerne Schwerter umgestellt, um sicherzustellen, daß sie den kleinen Vorrat an kostbarem Heiltrank nicht noch einmal für solche Unfälle einsetzen mußten.
Es war nicht die Gefahr, die Karl bedrückte. Es war die ewige Schinderei.
Jeden Tag ein neues Lager aufzuschlagen, war ein Riesenspaß gewesen, als Karl damals mit den Pfadfindern im Sommer eine Kanufahrt auf dem Assiniboine in Manitoba unternommen hatte. Teil des Spaßes war aber gewesen, daß man wußte, daß das primitive Leben nur vorübergehend war, daß heiße Duschen, saubere Kleidung, gutes Essen und Klimaanlagen am Ende der Fahrt warteten.
Hier traf das nicht zu. Die endlose Plackerei, einen Lagerplatz zu finden, Feuerholz zu suchen, mit Feuerstein ein Feuer zu entfachen, zu kochen, Töpfe und Pfannen mit Grasnarben auszuwischen, die Zelte aufzustellen, die Pferde zu tränken, am Morgen das Lager wieder abzubrechen — das alles ging ihm auf die Nerven und brachte ihn beinahe an den Rand eines Zusammenbruchs.
Vielleicht hatte ihn nicht nur der Grenzübergang von Nyphien nach Bieme davor bewahrt, seinen Verstand zu verlieren; manchmal kam es ihm aber so vor.
Bieme war möglicherweise das älteste der Mittelländer, auf alle Fälle das am weitesten entwickelte. Das Ackerland, von Lastpferden und Ochsen gepflügt, brachte einen Überfluß an Getreide und Gemüse hervor. Ein Zehntel der Felder lag immer brach nach einem genauen Plan. Die Fruchtbarkeit des Landes und der Fleiß seiner Bewohner hatten Wohlstand und Handel nach Bieme gebracht. Getreide- und Viehhändler kamen von weit her, sogar aus Katharhd und Lundeyll, um hier Handel zu treiben.
Man sah wenig Bewaffnete, und dann nur kleine Gruppen. Sie fungierten hauptsächlich als Polizei, nicht als Soldaten. Wenn auch zwischen Terranj und den anderen Mittelländern nicht gerade innige Bande bestanden, hätte doch jeder Angriff auf Bieme zuerst durch die umliegenden Fürstentümer gehen müssen, was den Bewohnern von Bieme reichlich Zeit gegeben hätte, sich zu rüsten. Es war daher unnötig, ein großes stehendes Heer zu unterhalten. Allerdings waren alle freien Bauern verpflichtet, an zwei freien Tagen im Jahr ein gut geschliffenes Schwert zur Inspektion vorzulegen.
Die beste Einrichtung waren die Schenken an der Hauptdurchgangsstraße. Per Gesetz mußte jede Gemeinde mit fünfhundert oder mehr Einwohnern an der Prinzenstraße ein Wirtshaus unterhalten; der hohe Standard dort wurde durch häufige Inspektionen durch die Bewaffneten des
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