Hüter der Flamme 03 - Die Krone des Siegers
gar nicht so schlecht. Ob man sie nun mochte oder nicht: Gewehre waren Gleichmacher, sehr demokrati sierend auf lange Sicht. »Alle Menschen sind gleichwertig geschaffen«, würden die Leute sagen. »Lou Riccetti hat das vollbracht.«
Er schloß Andy-Andy in seine Arme und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. »Bleib gesund«, flüsterte er.
»Paß verdammt noch mal auf dich auf, du Held«, sagte sie und küßte ihn lang und innig.
Er ließ sie los und ging die Stufen hinunter. Drüben wartete schon sein Pferd. Diesmal hatte er nicht Karotte genommen. Sie wurde zu alt, um noch an Schlachten teilzunehmen. Diese Stute mußte ihm genügen, bis er sich Stick bei Slowotski abholen konnte.
Er schwang sich in den Sattel.
Tennetty warf ihm ein quadratisches Stück Stoff herüber. »Wisch dir die Augen trocken, Karl.«
Er warf es zurück. »Halt die Klappe, Tenn. Und jetzt - nichts wie ab!«
TEIL 3
ENKIAR
Kapitel dreizehn
Nach Enkiar
Hör auf, zu fragen, was das Morgen bringen wird.
Verzeichne lieber als Gewinn jeden Tag,
den das Schicksal dir gewährt
Quintus Horatius Flaccus
Der Wachposten stellte sie etwa eine Meile vor dem Lager.
»Einen Viertelpfünder«, rief eine heisere Stimme plötzlich aus den Bäumen heraus. »Spezialsoße, Zwiebeln, Käse ...«
Die Stimme schwieg.
»... Salat, saure Gurken und viel Ketchup«, rief Karl zurück. Er mußte mit Walter Slowotski wegen der Losungen sprechen, die er immer aussuchte.
Im Prinzip war die Idee gut - und Karl war auch dafür gewesen, als Walter sie vor einigen Jahren vorgeschlagen hatte: Die Losungen sollten aus dem Alltag der Anderen Seite genommen werden. Dadurch konnten Karl, Walter oder Ahira immer richtig antworten und mußten nicht vorher über die Parole informiert werden. Aber das ging zu weit. Seit Jahren träumte Karl von Big Macs und ähnlichen Delikatessen. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen.
Dann ließ er die Zügel hängen und wandte sich an Beralyn. »Nehmt die Hände hoch, Baronesse.«
»Warum?«
»Jemand hat ein Gewehr auf Euch gerichtet, weil er Euch nicht kennt und nicht weiß, ob Ihr nicht mit einer Pistole auf meinen Rücken zielt. Also, bitte, Hände hoch!«
Langsam gehorchte sie.
Piell trat auf die Straße. Die Mündung seiner Sklavenjägerflinte zielt nur knapp neben Beralyns Brust. »Sei gegrüßt, Karl«, sagte er. »Ich kenne deine ... Begleitung nicht.«
»Ta havath, Piell. Beraly, Baronesse Furnael, darf ich Euch Piell ip Yratha vorstellen?«
»Kann ich jetzt die Hände wieder senken?«
»Selbstverständlich«, sagte Tennetty, und Karl nickte.
Der Elf ließ die Flinte sinken. Dann gab er jemandem im Wald ein Zeichen.
Piell verbeugte sich tief. »Bitte, nehmt die Arme herunter und vergebt mir, Baronesse - Furnael?« Er zog eine Augenbraue hoch. »Rahffs Mutter?«
»Stimmt.« Karl nickte. »Ich will auf dem Weg ins Lager nicht unbedingt erschossen werden. Wieviel Vorsprung sollen wir deinem Melder geben?«
»Er ist sehr schnell, Karl Cullinane. Wenn Ihr ein paar Augenblicke Euren Pferden Wasser geben wollt, reicht es. Dann könnt Ihr unbesorgt hineinreiten.« Piell schaute in die Spätnachmittags sonne. »Wir lagern auf einer Lichtung. Ihr werdet erwartet. Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen wollt, ich muß auf einen neuen Wachposten.« Er verneigte sich nochmals tief vor Beralyn und verschwand in den Büschen.
Karl stieg ab, nahm einen Wasserschlauch und eine Holzschüssel vom Sattel und fing an, die Pferde zu tränken. »Ich bitte wegen der Unhöflichkeit um Entschuldigung«, sagte er. »Aber es kann uns eine Menge Ärger ersparen. Wenn Ihr uns vor dem Lauf gehabt hättet, hätten wir alles tun können, was Ihr von uns verlangtet, weil Piell vom anderen Ende her die Sache in Ordnung gebracht hätte.«
»Anscheinend gibt es viele ... seltsame Rituale in Eurem Geschäft.«
Der Wagen des Magiers war innen sehr elegant. Tiefe Teppiche, die Holzwände mit Gobelins bedeckt. Karl, Chak, Walter und Henrad, Andy-Andys Zauberlehrling, saßen um eine Schüssel mit Fleischsuppe und aßen zu Abend. Piell war damit beschäftigt, die Baronesse für die Nacht unterzubringen, und Tennetty arbeitete irgendwo an ihrer Verkleidung.
Karl legte den Löffel auf den Tisch und griff zu einem Buch mit Ledereinband, das auf dem Schreib tisch des Magiers lag. Ohne auf Henrads schmerz liches Stöhnen zu achten, blätterte er darin herum.
Die Seiten mit den Zaubersprüchen waren für ihn ganz verschwommen; aber jemand mit den Genen, die ihn
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