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Hüter der Flamme 04 - Der Erbe der Macht

Titel: Hüter der Flamme 04 - Der Erbe der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Rosenberg
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ihn sofort mit einem fast unmerklichen Kopfschütteln zur Vorsicht zu mahnen. »Geduld, Junge, Geduld«, flüsterte sie. »Wir können nichts tun, um ihm zu helfen. Noch nicht.«
    »Wir können ...«
    »Wir können warten. Wenn wir ihm heimlich etwas zu essen hinlegen, wird er glauben, daß es vergiftet ist. Also beschränke dich darauf, die Augen offenzuhalten und paß auf, daß er sich, wenn du Nachtwache hast, nicht an dich heranschleichen kann, ohne vorher dein Gesicht zu sehen. Begriffen?«
    Sie hatte recht. Jason mußte eine Gelegenheit finden, Ahrmin zu töten, bevor Karl in Gefangenschaft geriet, aber diese Gelegenheit war nicht jetzt.
    Ihm blieb nichts anderes übrig, als aufmerksam danach Ausschau zu halten.
    Sie erhob die Stimme. »Seit wann gehört es zu meinen Aufgaben, die Pferde zu füttern und zu tränken? Sie verwursten vielleicht, aber ...«
    »Genug«, unterbrach er sie schroff und wandte sich im gleichen Atemzug an die beiden Posten vor dem Langhaus, in dem Ahrmin sein Quartier aufgeschlagen hatte. »Ich habe Nachrichten für Meister Ahrmin - und nur für ihn.« Er legte Waffen und Börse ab, nachdem er das Pergament herausgenommen hatte, das bei den Leichen gefunden worden war. »Ich muß ihn sofort sprechen.«
    Ahrmin saß auf einem Stuhl mit hoher Rückenlehne im Halbdunkel des Hauses, das Gesicht in Schatten getaucht. Er liebte die Dunkelheit, verschlief einen großen Teil des Tages und spazierte manchmal in Begleitung seiner beiden hünenhaften Leibwächter des Nachts am Strand entlang.
    Sie waren auch jetzt bei ihm. Nicht daß man speziell Jason mißtraute, Ahrmin ließ jedem gegenüber Vorsicht walten.
    Zwei weitere Männer befanden sich im Zimmer, beide dunkelhaarig und mit kurzem Bart: Chutfale und Chuzet. Brüder aus Lundeyll, die als Spurenleser und Jäger berühmt waren. Von Chutfale behauptete man, er könne jeden Menschen überallhin verfolgen; Chuzet war bei weitem der beste Armbrustschütze, den Jason je gesehen hatte.
    »So«, meinte Ahrmin tonlos. »Er ist hier. Ich habe es mir gedacht.«
    Er hob die Hand und schaute auf eine mit einer schleimigen gelben Flüssigkeit gefüllte Glaskugel, in der ziellos ein abgetrennter Finger schwamm. »Doch er ist wieder vor Beobachtung geschützt. Vor der Beobachtung durch diese Zauberkugel. Aber nicht vor euch, nicht vor mir.«
    Indem er die Hand um die Glaskugel schloß, wandte Ahrmin sich an die Brüder. »Findet ihn. Bringt ihn mir, lebend, wenn möglich, tot, wenn es sein muß. Nehmt euch, was ihr für eure Aufgabe benötigt. Aber findet ihn.« Ahrmin richtete den Blick auf Jason. »Du kannst gehen.«

Kapitel sechsundzwanzig
Der Schlächter
    Also ist es manchmal geraten, scheinbar das zu fliehen, was der Mensch in Wahrheit am meisten begehrt.
    Geoffrey Chaucer
    Die Arme ausstrecken. Warten. Die Beine anziehen. Pause. Vorsichtig hochstemmen, schieben. Ausruhen.
    Das war eine der Gelegenheiten, bei denen Karl Cullinane einen gewissen Neid auf Walter Slowotski verspürte. Karl gab sich Mühe, aber lautlos durch die Nacht zu kriechen, gehörte nicht zu seinen angeborenen Talenten.
    Die Arme ausstrecken. Warten. Die Beine ...
    Nur konnte er keine Rücksicht darauf nehmen. Übung und verbissene Ausdauer mußten den Mangel an natürlicher Eignung ausgleichen.
    Flach auf dem Bauch ausgestreckt, die feuchte Haut vom Gesicht bis zu den Zehen mit nassem Sand paniert, robbte er am Waldrand entlang, rechts die Bäume, links den Strand und die Zirrische See.
    Geduld und Umsicht waren hier gefragt, nicht Kraft.
    Die Arme ausstrecken. Warten ...
    Vor ihm in der Dunkelheit starrten zwei nervöse Sklavenhändler in die Nacht, den Rücken dem Lagerfeuer zugewandt. Karl schob sich noch ein Stückchen näher heran.
    Aus der Deckung seiner wechselnden Verstecke hatte er den ganzen Tag über den Strand beobachtet, weil er damit rechnete, daß die Sklavenjäger Wächter abstellten, um die Wächter zu bewachen. Das war in dieser Situation der logische nächste Schritt, aber noch hatten sie ihn nicht getan.
    Wahrscheinlich halten sie ebensowenig von meinen Anschleichfähigkeiten wie ich selbst, dachte er.
    Bis auf den Dolch unbewaffnet, schlängelte er sich weiter, unendlich langsam, die Arme tasteten sich gletscherhaft träge nach vorn, bevor er das Gewicht auf die Hände verlagerte und dann die Beine anzog, um sich über den Sand zu schieben, behutsam, konzentriert. Nach jedem Vorrücken erstarrte er zu völliger Reglosigkeit, bis er mit dem ganzen

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