Hüter der Flamme 04 - Der Erbe der Macht
mit etwas Glück sind wir irgendwann morgen früh wieder bei unseren Leuten.«
Gegen Mittag wurden sie von einem Späher entdeckt, und gemäß Ahiras Rat ließ Daherrin auf einer nahen Lichtung eine Mittagsrast einlegen. Die Pferde wurden abgesattelt und zum Abkühlen herumgeführt, anschließend an einem Bach getränkt und zum Grasen freigelassen, bevor man sie mit einer Ration aus den begrenzten Vorräten an Eicheln und Gerste fütterte.
In der Zwischenzeit verzehrten die Mitglieder des Stoßtrupps eine kalte Mahlzeit aus Hartwurst und einigen Portionen des sowohl übelriechendsten Käses, den Walter Slowotski je geschmeckt, als auch des übelschmeckendsten, den er je gerochen hatte. Heruntergespült wurden diese Genüsse mit einem Schluck Wein und reichlich Flußwasser.
Gott, wie sehr er kalte Marschverpflegung haßte.
Die meisten der erfahrenen Krieger krönten das Essen mit einem Schläfchen; schon nach dieser kurzen Zeit auf dem Kriegspfad machten die alten Gewohnheiten sich wieder bemerkbar. Man aß und schlief so oft und so ausgiebig, wie es sich ergab, weil sich später vielleicht keine Gelegenheit mehr bot.
Jilla, eine der nur zwei Frauen des Trupps, lag ausgestreckt unter einem notdürftigen Schutzdach und schnarchte wie ein Zwerg.
Die zweite Frau war Aeia, und obwohl sie eigentlich nicht zu den erfahrenen Kriegern gehörte, hatte sie gelernt, überall und jederzeit ein Nickerchen zu halten. Sie lag zusammengerollt unter einer Decke, die hochzuheben es Walter förmlich in den Fingern juckte. Noch mehr juckte es ihn, einfach darunter zu kriechen und die Schläferin zu einem raschen Nicht-Nickerchen zu wecken.
Unartig, unartig, tadelte er sich selbst, ohne eine Spur von Reue. In einer Lage wie dieser, sollte ich eigentlich mit einem ganz anderen Organ denken.
Inzwischen hatten sich die Anführer und die Neulinge zu einer lebhaften Diskussion zusammengefunden. Wie gewöhnlich - die Truppführer mußten jede Ruhepause nutzen, um ihre Pläne zu besprechen; die Grünschnäbel waren noch nicht erfahren genug, um die Rast zum Essen und Schlafen zu nutzen.
Wie nicht anders zu erwarten, bestand die Gruppe aus Ahira, Daherrin, Bren Adahan und Valeran einerseits, sowie Jason und einem fünfzehnjährigen Jungen namens Sambalyn andererseits. Überrascht stellte Walter fest, daß Daherrin den Jungen wirklich Beachtung schenkte; Walter hätte es vorgezogen, daß sie den Mund hielten und zuhörten.
Daherrin schüttelte den massiven Schädel. »Es gefällt mir nicht, sie bei Tag anzugreifen.« Er tippte sich mit einem knorrigen Finger gegen die Brauenwülste. »Wir sollten den Vorteil der Nachtsicht ausnutzen.«
Ahira spuckte aus. »Wir sind nur dreizehn vom Wahren Volk«, meinte er in der Sprache der Zwerge. »Glaubst du, daß wir sämtliche Sklavenjäger allein niedermachen können?«
Jason Cullinane runzelte die Stirn. »Erendra oder Vaters Sprache«, grollte er in demselben Dialekt wie der Zwerg. »Dein Akzent ist zu stark.«
»Sei still, Jason«, versuchte sich Valeran in seiner Erzieherrolle.
Bren Adahan verbarg sein Lächeln hinter der vorgehaltenen Hand. Ein Mensch, der einen Zwerg tadelte, daß er die eigene Sprache nicht beherrschte? Sein Kopfschütteln verriet liebevolle Toleranz.
Daherrin nickte. »Jason hat recht.«
Walter hätte kotzen mögen. Immerhin gehörte Ahira von Anfang an zu der Gruppe; wenn er der Ansicht war, daß irgend etwas in der Zwergensprache gesagt werden mußte, dann hatte kein halbwüchsiger Bengel daran herumzumäkeln.
Andererseits sah Daherrin in Jason nicht nur einen Knaben, den auszubildenden Krieger und Ingenieur; er war Karl Cullinanes Sohn, und für Daherrin bedeutete das viel, wenn nicht gar zuviel.
Verwöhnter Bengel.
Daherrin runzelte wieder die Stirn. »Es behagt mir nicht, daß wir unser Vorgehen ändern sollen. Wir könnten sie auf einer Lichtung in Empfang nehmen, aber da ist das Problem mit der Vorhut ...«
»Vergiß es.« Ahira schüttelte den Kopf. »Es könnte noch schlimmer sein. Es ist gut möglich, daß ein Mann der Karawane einen ganzen Tag vorausreitet, um das Gelände auszukundschaften.«
Slowotski nickte. »Wenn ihr nichts dagegen habt, daß ich etwas Brillanz in diese Unterhaltung bringe, dann kann ich euch vermutlich eine Lösung anbieten.«
Er hob seinen Stock auf und zeichnete eine krumme Linie auf den Boden. »Das ist der Hauptweg - sie befinden sich momentan ungefähr hier. Unser Pfad gabelt sich hier, und wir nehmen diese Abzweigung ...
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