Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor
hatte das erschöpfte, aber zufriedene Aussehen, das jüngere Leute haben. Tennetty atmete noch immer heftig, und eine Ader an ihrem Hals pulsierte in schnellen Schlägen. Sie wirkte noch ausgelaugter als sonst.
»Wir wollen ein Weilchen an Land gehen«, meinte Jason. »Ein wenig die Beine vertreten und vielleicht ein bißchen herumfragen.« Sein Gesicht spiegelte seine Gedanken deutlich wider. Ich konnte sehen, daß er viel zu eifrig dabei war.
»Tennetty?« Ich drehte den Kopf zur Seite. »Er verschweigt mir etwas.«
»Er hat es dir gesagt.«
»Tennetty.«
»Na ja, vielleicht hätte er etwas deutlicher werden können.« Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. »Einer aus der Mannschaft kam zurück und berichtete, daß hier Gerüchte über Ehvenor im Umlauf sind. Wir dachten uns, wir sehen einmal nach, was man hier im Ort so redet.«
Ich drehte mich wieder zu Jason um, fragte ihn aber nicht, warum er nicht offen zu mir gewesen war. Er hatte noch immer eine Menge zu lernen. - Ich bestehe nicht darauf, alles selbst zu tun, was Spaß macht. Noch dazu war es nicht unbedingt spannend, die Nase in die Gerüchteküche zu stecken. »Bittest du um Erlaubnis?«
Er dachte darüber nach. Doch dachte er darüber nach, daß er mich nicht besonders leiden konnte. Und dann überlegte er, daß er sehr wohl auch in der Lage war, Fehler zu machen.
Deshalb antwortete er schließlich: »Zumindest bitten wir um deinen Rat.« Sein Gesicht bemühte sich um Ausdruckslosigkeit. Er war zu dem Schluß gekommen, daß er keine Ratschläge nötig hatte.
Tennetty lächelte in sich hinein. Gut, der Junge brauchte ihre begeisterte Zustimmung nicht gerade zu sehen. Es wäre ihm so sehr zu Kopf gestiegen, daß er geplatzt wäre.
»Habt ihr schon den Zwerg gefragt?«
Jason schüttelte den Kopf. »Er wäre der nächste, und dann Kenda.« Er sah zu Bast hinüber. »Würdest du gern mitkommen?«
Bast schüttelte den Kopf. »Nein.«
Sehr nett gesagt. Bast erinnerte mich an einen früheren Freund auf der Anderen Seite. Brian schlug gewöhnlich eine Einladung, zum Essen zu gehen, mit knurriger Einsilbigkeit aus und vertraute stillschweigend darauf, daß dies seine Freunde nicht kränken würde; ganz und gar kein kluges Verhalten, denn schließlich hörten die meisten von uns damit auf, ihn zu besuchen.
Jason wartete mit gespielter Geduld, und der Tag wurde auch nicht jünger. Artiven war eine relativ sichere Stadt. Aber es hatte keinen Sinn, die Sache zu forcieren.
»Sicher«, stimmte ich zu. »Zieht los, aber keiner von euch sollte versuchen, dort herumzuspionieren. Gebt ein bißchen Geld aus, eßt von den örtlichen Spezialitäten, haltet Augen und Ohren offen und benutzt den Mund zum Kauen.«
Jason und Tennetty brachen auf. Bast starrte mich immer noch finster an.
Schwarzpulver stellte nicht ganz das mächtige Geheimnis dar, für das er es hielt. Andy war dabei, als Lou und ich den ersten Schub zusammen mischten, half beim Rühren und murmelte die ganze Zeit: »Mische, mische, Unheil auf dem Tische.« Sie kannte die Formel, und Ahira gleichfalls. Und ich bin sicher, daß auch Doria wußte, was ins Schwarzpulver kam - obwohl ich nichts darauf verwetten würde, daß sie auch das richtige Mischungsverhältnis kannte.
Nicht, daß das wirklich eine Rolle spielte - man kann sich ziemlich weit von der klassischen Mixtur entfernen, um dennoch richtiges Schießpulver zu erhalten. Hauptsächlich liegt das Geheimnis darin zu wissen, mit welchen Substanzen man herum probieren muß - und es dann tatsächlich auch zu tun. (Nur zur Sicherheit: Kinder, probiert es nicht zu Hause aus.)
Also brauchte sich Bast überhaupt keine Sorgen zu
machen, daß das Geheimnis herauskommen könnte, da es doch eine ganze Menge von uns bereits seit Jahren kannten.
Da sich Bast aber so erpicht darauf zeigte, allen die Gurgel durchzuschneiden, die das Geheimnis erfahren hatten, war es wohl keine gute Idee, ihm noch mehr Zielscheiben zu verschaffen. Es würde besser sein, mit ihm zu verhandeln. »Kanntest du es?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich hatte ... Hinweise, bin ihnen aber absichtlich nicht gefolgt. Ich hielt es nicht für nötig, zu wissen, wie man Pulver macht, und wollte es auch nicht wissen. Meisterin Ranella kennt es ... und es gibt Vorkehrungen ..., falls sie und der Ingenier beide sterben sollten. Aber wie ... nein, das wußte ich nicht.« Er band den Wassersack von der Reling los und nahm höflich einen Schluck, bevor er ihn mir anbot.
Ich dachte über
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