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Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor

Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor

Titel: Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Rosenberg
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Heute können wir uns Ehvenor nicht weiter nähern.«
    Andreas Augen leuchteten auf - und das war nicht nur eine Metapher. Sie legte die Hand auf Erol Lyneians Schulter und sagte: »Nein. Es gibt einen anderen Weg. Weiter unten, hinter dem Kanal. Segle dorthin.« Ihre Stimme klang tief und voll; beinahe schien sie zu singen.
    Ich sah zu Ahira hinüber, und er erwiderte den Blick, aber keiner von uns beiden wollte etwas sagen.
    Erol Lyneian begann zu protestieren, doch Andy brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen. »Bring das Schiff dorthin.«
    Der Anleger bestand aus einer Felsenplattform, die in die Wand der Steilküste hineingehauen war. Drei Treppenfluchten waren in die Klippen gemeißelt und schlängelten sich bis hinauf zur Spitze.
    Die Delenia spannte leicht die Ankerleine, denn der frische Seewind versuchte sie gegen die Felsen zu drücken. Ihre Segel flatterten lose im Wind. Wir mußten unser Gepäck schnell ausladen - Jason und Tennetty verließen als erste das Schiff. Ahira und ich warfen ihnen und den vier Ruderern im herabgefierten Beiboot die Bündel und Pakete zu.
    Ich ging als letzter von Bord. Nun wandte ich mich Erol Lyneian zu, um ihm zu danken. Aber er hatte uns nicht seiner Herzensgüte wegen aus Brae herausgeholt, sondern damit ich ihm ein Geheimnis mitteilte, das vielleicht ebensoviel wert war wie eine Schiffsladung voller Gold. Es wäre nichts wert, wenn ich einfach verbreitet und jedem erzählt hätte, woraus Schießpulver besteht und wie es hergestellt werden kann.
    Selbstverständlich wäre das Geheimnis dann für mich auch nichts mehr wert gewesen, aber das war es ohnehin nicht, jedenfalls nicht in dem Sinne, wie Erol Lyneian vermutete. Daher hatte er niemals an die Möglichkeit gedacht, daß ich das Geheimnis weiter verbreiten könnte - warum sollte ich ihm allein etwas geben, das ich all diese Jahre so s org fältig gehütet hatte.
    Ich lächelte.
    »Lebwohl, Erol Lyneian!« rief ich ihm zu, als ich mich über die Reling hinunterließ. Nur wenige Minuten später hatten uns die Matrosen mit unserem Gepäck sicher auf dem niedrigen Landungssteg abgesetzt. Wir blickten den Seeleuten nach, die das Beiboot hastig zurück zur Delenia ruderten.
    Ahira schaute hinauf zu den Lichtern, die den Himmel so erhellten, daß sich die Steilküste vor ihm dunkel abhob. Dann kehrte sein Blick zu mir zurück.
    »Walter«, sagte er, »jetzt bist du dran.«
    Meistens sind die Vorsichtsmaßnahmen, die man trifft, überflüssig. Dennoch muß man sie eben jedesmal treffen, damit sie wirken können.
    Eine meiner Freundinnen von der Uni - sie hatte bereits mehrere Semester studiert, als ich noch Student im ersten Jahr war - hatte direkt nach ihrer Abschlußprüfung geheiratet. Sie wollte sofort Kinder bekommen, fand dann aber nach vielen Bemühungen und großem Aufwand schließlich heraus, daß sie unfruchtbar war. All die Jahre der Vorsorge und das Geld, das sie für Verhütungsmittel ausgegeben hatte, waren umsonst gewesen. Ich selbst möchte gar nicht erst nachzählen, wie oft ich ein Zimmer durch ein Fenster oder vielleicht durch eine Geheimtür betreten habe, oder wie oft ich den Kopf hineingesteckt und schnell wieder her ausgezogen habe, um erst einmal einen flüchtigen Blick zu erhaschen, bevor ich eintrat. Ich könnte auch gar nicht aufzählen, wie oft ich mich für einen Tag oder eine Nacht bewaffnet habe, ohne dann jemals auch nur meine Hand an den Messer- oder Pistolenkna uf zu legen. Ich will nicht ver suchen, mich daran zu erinnern, wie oft ich eine Pistole geladen und sie dann wieder an die Wand zurückgehängt habe, ohne sie abzufeuern.
    Aber noch immer macht man es - auf die gleiche Weise, immer und immer wieder.
    Ich stieg langsam und vorsichtig die Stufen hinauf; meine Hände tasteten sich vor, während ich mein Gewicht zögernd auf jede weitere Stufe verlagerte. Meine Augen glitten über die Stufen, um nach Anzeichen Ausschau zu halten, die darauf hindeuteten, daß etwas nicht stimmte. Ich war froh, daß die Stufen aus Stein waren und nicht aus Holz. Es gibt tausend Möglichkeiten, eine hölzerne Treppe zu präparieren. Bei eingemauerten Steinstufen ist das schon schwieriger, und eine gemeißelte Treppe ist am schwierigsten zu manipulieren. Aber es ist nicht unmöglich.
    Der günstigste Platz für eine Falle liegt oben an der Spitze. Dort würde nur ein Idiot seinen Kopf und Oberkörper über die Kante wuchten und sich so jedem als Zielscheibe präsentieren. Deshalb hielt ich auf der letzten

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