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Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor

Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor

Titel: Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Rosenberg
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schwersten von uns war mein Bruder Steve verletzt, der gegen die Rückenlehne des Vordersitzes geschleudert wurde - und alles, was er abbekam, war eine blutige Nase.
    Der Idiot in dem Corvair wurde in einem Notfallwagen abtransportiert, denn er war so schwer verletzt, daß ich bis zum heutigen Tag nicht weiß, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte.
    Überall war Blut verspritzt, und in der Luft hing der strenge Geruch von Benzin und schwelendem Öl. Mutti hatte eine Hand um Stevens Nacken gelegt und brachte ihn ins Haus, doch niemand hatte daran gedacht, mich fortzuscheuchen.
    Ich wartete mit Vati, während der Mann mit dem Abschleppwagen unseren Wagen abholte. Unseren Wagen.
    Gott, war der durch die Mangel gedreht worden. Es war nicht nur so, daß Scheiben, Kotflügel und Motorhaube zertrümmert waren, sondern auch die Vorderräder in einem eigenartigen Winkel abstanden, als wäre die Vorderachse gebrochen, während die Karosserie auf einer Seite über den Rahmen hinaushing.
    Der Mann vom Abschleppdienst schüttelte den Kopf, als er den Hebel betätigte, mit dem er den vorderen Teil des Wagens in die Höhe zog.
    »Kaufen Sie sich einen neuen, Mr. Slowotski?« fragte er über den nutzlosen Protest des Metalls hinweg.
    »Stash«, sagte Vati abwesend. »Jeder nennt mich Stash. Eine Kurzform von Stanislaus. Und ja«, sagte Vati. »Ich habe ihn neu gekauft. Vor zehn Jahren.« Er streichelte das verbeulte Blech und zog dann verlegen die Hand zurück.
    Der Mann vom Abschleppdienst schüttelte den Kopf in einer schnellen; ruckhaften Bewegung, als ob er sagen wollte, ist schon gut, ich verstehe. »Ja. Ein verdammt guter Wagen. Ich wünschte mir, man würde sie noch immer bauen«, sagte er, als er aufbrach.
    »Es ist nur ein Auto.«
    »Sicher, Stash.« Der Mann vom Abschleppdienst lächelte. Er glaubte Vati ebensowenig wie ich.
    Oder ebensowenig, wie Vati sich selbst glaubte. Stash fuhr mit seinen derben, sanften Fingern durch mein Haar. »Ich hab' deine Mutter mit diesem Auto ins Krankenhaus gefahren, als wir dich bekamen, Grille.«
    »Kann man ihn reparieren?« fragte ich, während ich nach meiner Seite tastete und mir die Hüfte rieb.
    Er schüttelte den Kopf, und Tränen, die er nicht bemerkte, bahnten sich ihren Weg hinunter über den Fünfuhrschatten auf seinen Wangen.
    »Nein, er ist zu sehr demoliert, um ihn zu reparieren. Aber dir, Steven und Mutti ist nichts passiert, Grille, und das ist es, worauf es ankommt. Das ist die einzige verdammte Sache, auf die es überhaupt ankommt.« Fest ergriff er meine Hand.
    »Nein, ich bin nicht ganz okay«, widersprach ich vermutlich etwas weinerlich. »Ich habe mir wehgetan.«
    »Ja. Aber nur ein bißchen. Vielleicht etwas gequetscht. Grille, das tut mir wirklich leid, ich meine es ehrlich, aber wir könnten alle tot sein. Tot, tot.«
    Er murmelte etwas auf polnisch und ließ dann meine Hand los, um sanft auf die metallene Flanke des Wagens zu klopfen, während der Abschlepp wagen ihn vom Bordstein zog. Ich habe nie viel Polnisch gelernt und kann mich nicht an die Worte erinnern - und doch weiß ich, was sie bedeuteten.
    Sie bedeuteten: »Ich danke dir, du guter und treuer Diener.«
    Wir sahen ihm nach, bis der Abschleppwagen um die Ecke gebogen und das Große Auto verschwunden war. Dann standen wir einfach dort und blickten noch eine ganze Weile hinterher, bis unsere Augen trocken waren.
    Als ich aufwachte, saß Kirah vor meinem Bett und beobachtete mich.
    Ich hatte sie bereits wahrgenommen, aber, so seltsam es auch klingen mag, in meinem Hinterkopf sträubte ich mich, ihretwegen aufzuwachen.
    Alles war ein bißchen gespenstisch: sie saß mit untergeschlagenen Beinen in einem gut gepolsterten Lehnstuhl beim Fenster, und die Sonne warf durch die Jalousien goldene und dunkle Streifen auf ihr Gesicht. Lediglich ein Teil ihres Mundes war sichtbar, der ein Lächeln andeutete, das ebensogut freundlich wie gezwungen sein konnte. Ich ver mochte es nicht zu deuten. Meine Frau hatte schon gelernt, sich zu verstellen, bevor wir uns kennenlernten.
    »Guten Abend, Liebling«, sagte sie. Sie war gerade dabei zu nähen. Auf ihrem Schoß häufte sich weißer Stoff, in dem kreuz und quer Nadeln steckten.
    Ich streckte mich und rieb mir dann die Augen. »Ach, hallo.« Aus der Kommode neben meinem Bett nahm ich eine Hose und schlüpfte hinein. Dann schwang ich mich aus dem Bett und schlenderte über den Teppich zu ihr hinüber, um mich langsam, sanft und vorsichtig über sie zu beugen

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