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Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor

Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor

Titel: Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Rosenberg
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Kaplan auch nicht besonders. Dieser alte Geizhals hat doch anscheinend keine Ahnung davon, was ein Polizei-Rabatt ist - zumindest hatte er es früher nicht. Inzwischen muß ich ihm mein Geld fast aufdrängen. Du solltest mal die Schachtel sehen, die er mir zu Weihnachten geschenkt hat, Stash ... Nun gut, selbst wenn es mir scheißegal ist, ob er zuhause von der Leiter stürzt und sich das Genick bricht - solange der Kerl auf meiner Straße herumläuft, gehört er auch zu meinen Leuten, und ich kann es nun mal nicht ausstehen, wenn irgend jemand aus meinem Block in einem Krankenhausbett liegt, mit einem Schlauch in der Nase und einem anderen im Pim mel, klar?
    Noch mal zurück zu diesen Windbeuteln an der Ecke. Es lag nun gerade nichts gegen sie vor. Außerdem bin ich ja auch nur eine verdammte Blaujacke und kein Beschützer oder so, und überhaupt habe ich nichts mit der ganzen Sache zu tun. Blaujacken führen nun mal keine Ermittlungen durch. Nur, ich laß es eben nicht zu, daß irgendwelche Arschgeigen meine Leute anmotzen, jedenfalls nicht in meinem Revier. Ich geh also rüber zu einem von diesen Hampelmännern und ziehe ihn beiseite.
    ›Tu, als ob du nicht mit mir reden willst‹, sage ich leise, aber eben nicht leise genug. Er ist nicht allzu schwer von Begriff und schnallt gleich, was los ist. Er ruft also irgendwas, während er so was wie einen Schwinger auf mich ansetzt. Aber mein Einsatz dagegen beträgt ungefähr hundert Pfund. Er ist schlau genug, mich nicht ernsthaft zu reizen - er weiß nämlich, wenn er das tut, wird ihm die Zeit der Abrechnung so lang werden, daß selbst seine Nachkommenschaft nicht unbeschadet davonkommt.
    Während er also ausholt, nehm' ich seine Arme und schiebe ihn vorsichtig gegen die Wand, ganz sanft. Gerade noch stark genug, um ihn davon abzulenken, daß ich ihm die hundert Mäuse, die ich gerade noch in der Hand hatte, in seine Hosentasche rutschen lasse.
    Na ja, die anderen Dudelsäcke beobachten uns, und einer von ihnen sieht, was er sehen soll. Damit bin ich aller weiteren Sorgen enthoben und kann den Jungen laufen lassen.
    Ich wußte nicht, wie weit die Knilche wirklich gehen würden, und es war mir auch gleich. Aber einige Tage danach besuche ich den Jammerlappen im Krankenhaus, und er ist in einer schlimmeren Verfassung, als Kaplan es je war, und der Vogel singt wie verrückt. Ich, ihm gedroht? Nee, ich habe ihm doch nur ein weiteres Abrechnungssümmchen angeboten. Aus mir völlig unerklärlichen Gründen wollte er das nicht.
    Hundert Mäuse sind eine Menge Kies? Sicher. Jedenfalls für einen Bullen. Ich habe es zurückbekommen. Ich wette, der alte Kaplan denkt, daß er diesen Hunderter nicht besser hätte anlegen können.«
    Ich rechnete damit, ungefähr am späten Nachmittag die Stadt zu erreichen, aber wir waren besser in der Zeit, als ich gedacht hatte.
    Es war erst Mittag, als Brae plötzlich vor uns auftauchte, oder umgekehrt, je nachdem, aus welchem Blickwinkel man es betrachtete. Aus meiner Sicht befindet sich der Mittelpunkt des Universums nur wenige Zentimeter hinter meiner Stirn. Der Mittelpunkt des Universums verändert sich eben laufend.
    Jedenfalls kamen wir geradewegs aus einer Kurve, und da lag sie vor uns: Eine kleine idyllische Ansammlung ein-, zwei- und dreistöckiger, mit Lehm bestrichener Flechtwerkbauten, von verschlungenen, schmalen Gassen durchzogen, rekelte sich auf den Hügeln der Küstenlandschaft und erstreckte sich von den Gipfeln einer kleinen Hügelkette bis hinunter zum Zirrischen See.
    Nicht gerade groß für eine Stadt.
    »Sie erinnert mich an einen alten Witz«, sagte ich. »Der Ober kommt zum Tisch. Sagt: ›Wie fanden Sie denn Ihr Steak?‹ ›Oh, erst überhaupt nicht, Herr Ober, aber dann hob ich gerade zufällig die Petersilie und: da war es.‹«
    Andy und Ahira lachten pflichtschuldigst, aber die anderen beiden nicht. Wahrscheinlich muß man wirklich mit der englischen Muttersprache aufgewachsen sein, um diese Art Humor zu verstehen - und genau das war Tennetty nicht. Wahrscheinlich braucht man dazu auch einen ausgeprägten Sinn für Humor, der Jason Cullinane völlig abging.
    Der erste Eindruck, den man von Brae bekam, war ein intensiver Fischgeruch. Das kann nicht verwundern, denn die Gewässer in dieser Gegend sind sehr fischreich, und getrockneter Großaugenhering - ein ausgesprochen häßlicher Fisch - ist das haup tsächliche Ausfuhr- und Handels gut der Stadt. Vom Gestank einmal abgesehen, lief mir bei dem Gedanken an eine

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