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Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe

Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe

Titel: Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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war das peinlich, doch H. winkte jovial ab, klopfte mir auf die Schulter und meinte: »Das macht nichts, Herr Schneider. Bringen Sie es mir einfach beim nächsten Mal mit. Wir sehen uns ja jetzt öfter.«
    Ich kann nicht genau sagen, was ich bei diesen Worten empfunden habe. Was hat mich so erschrecken lassen? War es die Art und Weise, wie er es sagte, so, als sei überhaupt nicht an einen Widerspruch meinerseits zu denken? Wurde ich hier von einem derben Zugriff auf mein Leben überrascht, ohne dass ich Gelegenheit bekam, darüber nachzudenken? Mir blieb nichts anderes übrig, als stumm mit dem Kopf zu nicken und ein Lächeln zu zeigen. Er befahl, und ich gehorchte. Er führte das Gespräch und ich nickte.
    In der darauffolgenden Stunde saßen wir in einem Zimmer neben seinem Büro beisammen, und ich kann nicht sagen, dass ich das Gespräch als Dialog empfand. Es war eher ein Vortrag, den er mir hielt. Über das Großdeutsche Reich als totalitärer Führerstaat, über die Okkupation der umliegenden Länder und über ein wunderbares deutsches Volk, in dem die Tugenden der Germanen wieder auferstehen würden. Genau genommen schwelgte er in den Gedanken, die ich in meinen Artikeln in rein hypothetischer Form skizziert hatte. Doch das, was für mich ein Gedankenexperiment war, sah Himmler offensichtlich schon als Realität. Er nahm meine doch sehr hypothetische Theorie und verwandelte sie in eine konkrete Vision um. So hatte ich das alles nicht gemeint, und was er daraus machte, begann mich abzuschrecken, ja sogar abzustoßen. Vor allem, weil meine utopischen Bilder bei ihm mit Gewalt und Schrecken einhergingen. In den besetzten Gebieten sollten die Menschen vertrieben und Deutsche dort angesiedelt werden. Er hob in seinen Worten vor allem immer wieder die besondere Menschlichkeit der Herrenrasse, wie er die Deutschen nennt, hervor. Aber mir scheint der Plan nicht von gehobener Menschlichkeit zu zeugen, sondern eher unmenschlich und brutal. Aber ich will nicht zu voreilig urteilen: Vielleicht sagen seine Worte etwas anderes, als seine Gedanken und Gefühle meinen.
    In dieser Stunde saß ich ihm wie eine nickende Marionette gegenüber, nippte von Zeit zu Zeit an meinem kalt gewordenen Kräutertee und ließ ihn nicht aus den Augen. Ich bin als Journalist schon vielen verschiedenen Menschen begegnet, doch dieser Mann ist so wenig zu fassen, wie ich es noch bei einem Menschen empfunden habe. Und doch ist er faszinierend und eigenartig anziehend.
    Schneider rieb sich die Augen, so als traute er ihnen nicht, dass das Gelesene wirklich dort in den Tagebüchern seines Vaters stand. Er erhob sich vom Sofa und goss sich Whiskey ein, den er hastig hinunterschüttete.
    »Mein Vater ein Vertrauter Himmlers, ich fasse es nicht«, rief er laut in den Raum. Ein Blick auf seine Uhr verriet ihm, dass Mitternacht schon seit einer Stunde vorüber war. Da schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf. Schnell griff er zum Telefon und wählte. Das Freizeichen ertönte sechs, sieben Mal, bis sich endlich jemand am anderen Ende meldete: »Blome«, kam es verschlafen aus dem Hörer.
    »Gerd, du schläfst doch noch nicht, oder?«
    »Nee, jetzt nicht mehr. Weißt du eigentlich, wie spät es ist?«
    »Nun stell dich nicht so an. Ich bin schließlich auch noch wach.« Blome kannte diesen Spruch zur Genüge, da ihm diese nächtlichen Anrufe leidlich bekannt waren. Und weil Schneider mit 71 Prozent der Firmenanteile der stärkere Partner war, nahm er sich das Recht heraus, auch ihn aus dem Bett zu schellen, wann immer er dies für erforderlich hielt.
    »Es ist wichtig, Gerd. Sonst würde ich doch nicht so spät anrufen.« Ein Grunzen am anderen Ende wollte diese Aussage Lügen strafen. »Ich habe dir doch von den Tagebüchern erzählt. Du wirst es nicht glauben, aber mein Vater war ein Vertrauter Himmlers.«
    Das saß, und Blome war hellwach.
    »Erzähl«, sagte er kurz und wartete auf eine ausgedehnte Erklärung Schneiders.
    »Hör zu, ich kann dir jetzt nicht alles am Telefon erklären. Ich wollte dich nur fragen, ob du morgen um acht die Sitzung leiten kannst. Lass Fritsch das Protokoll schreiben und maile es mir mittags zu. Danach musst du den Vorgang ›Comequad‹ möglichst schnell unseren Anwälten übergeben. Ich möchte mich nicht an der geplanten Sammelklage vor Gericht beteiligen. Hörst du? Ich habe mir überlegt, dass wir das alleine durchziehen. Vor allem Friehling ist spezialisiert auf alles, was mit Börsenbetrug zusammenhängt. Die anderen

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