Hueter Der Macht
ein Mann Gottes, nicht Englands.«
»Wie Ihr meint. Der schwarze Prinz, möge sein Blut französische Erde tränken, hat seine Streitmacht zu einem großen Sieg geführt. Viele Tausende der besten französischen ‘Ritter haben auf den Feldern vor Poitiers den Tod gefunden.«
»Gütiger Himmel!«
»Und das ist noch nicht das Schlimmste.« Plötzlich schien de Noyes’ Gesicht in sich zusammenzufallen, als hätte der Tod sich mit eisernen Fäusten in sein Herz gekrallt. »Der schwarze Prinz hat König Johann gefangen genommen und hält ihn nun als Geisel fest.«
Thomas war zu erschüttert, um etwas sagen zu können. Die Engländer hatten den französischen König in ihrer Gewalt! Das würde ja bedeuten, dass der Krieg fast vorbei war… es sei denn…
»Und der Dauphin?«, fragte Thomas und meinte damit Prinz Karl, den Enkel und Erben König Johanns. »Ist er…?«
»Er ist in Paris, Thomas. Das ist alles, was ich weiß. Ich wollte mich ihm anschließen… trotz Poitiers sind immer noch einige gute Männer am Leben, und im Norden Frankreichs gibt es viele Ritter und Barone, die sich der Streitmacht des Königs nicht angeschlossen hatten. Mon Dieu! Johann hatte fünfzigtausend Männer bei sich. Wer hätte gedacht, dass er hunderttausend brauchen würde, um die Engländer zu besiegen!«
Gibt es irgendeine Armee auf der Welt, die dem schwarzen Prinzen standhalten konnte?, fragte sich Thomas.
»Und sie wollen sich Karl anschließen?«, fragte er. Der Dauphin war noch ein recht junger Mann, vielleicht drei oder vier Jahre jünger als Thomas, und konnte bislang auf keine Kampferfahrung zurückblicken, geschweige denn auf einen Sieg.
Und wer wusste außerdem, ob der Wahnsinn, der seinen Vater befallen hatte, nicht auch in ihm eines Tages erwachen würde? Nur wenige Menschen hatten Johanns Sohn Ludwig in den letzten zehn Jahren zu Gesicht bekommen. Seit seiner außergewöhnlichen Begegnung mit einem Pfau im Hof des Louvre. Es hieß, Johann halte seinen Sohn in einer entlegenen Burg hinter Schloss und Riegel.
Offiziell war Ludwig tot.
Inoffiziell wusste jeder, dass er noch am Leben war… wenn auch vollkommen verrückt. Während der vergangenen acht Jahre hatte Eduard III. jedes Jahr zu Ludwigs Namenstag eine Wagenladung Pfauenfedern an den französischen Hof geschickt, »zum Schmuck und zur Erbauung des Kronprinzen«.
Diese Geste hatte nicht eben zur Festigung des Friedens beigetragen, und Thomas war sicher, dass man – wäre die Schlacht bei Poitiers anders ausgegangen – dem schwarzen Prinzen jede einzelne dieser Pfauenfedern der letzten acht Jahre in den Rachen geschoben und ihn damit zu seinem Vater zurückgeschickt hätte.
De Noyes warf Thomas einen schwer zu deutenden Blick zu. »Es heißt entweder, sich Karl anzuschließen oder Eduard als unseren König zu akzeptieren.«
Dann runzelte er besorgt die Stirn. »Karl hat größere Sorgen als die Gefangennahme seines Großvaters.«
»So?«
»Seine Mutter, Isabella von Bayern, hat das Gerücht in die Welt gesetzt, dass sie sich nicht sicher sei, wer Karls Vater ist… da wäre ihr Gemahl Ludwig natürlich, aber sie erinnert sich auch vage an den Herzog von Orleans, den Meister der Falken und einen Mann ohne Namen bei einem Palmsonntagsfest.«
Thomas lachte auf. »Isabella hat schon immer ihr Fähnchen nach dem Wind gedreht. Zweifellos hofft sie, dass der schwarze Prinz sie für diese Idee der wahllosen Unzucht reichlich belohnen wird.«
»Wie dem auch sei, ihre Verunglimpfungen haben Zweifel in den Herzen vieler Männer aufkommen lassen. Hat Gott dem Königshaus seine Gunst entzogen? Ludwig ist geisteskrank und sein Sohn… nun, hat er überhaupt einen Sohn? Gibt es einen direkten Thronfolger, wenn Johann sterben sollte?«
De Noyes schüttelte den Kopf und drehte einen Zweig in den Händen, den er gerade aufgehoben hatte. »Wir können die Engländer nur mit einem starken und entschlossenen Anführer zurückschlagen. Und Karl… nun, er ist alles, was wir haben.«
»Wo befinden sich die Engländer jetzt?«
»Sie haben zwar den Sieg davongetragen, doch sie sind stark geschwächt. Ich habe gehört, der schwarze Prinz habe sich mit seiner Streitmacht in Chauvigny niedergelassen. Aber die Gerüchte…«, er wies mit der Hand hilflos auf die Szenerie vor ihnen, »die Gerüchte besagen, dass der schwarze Prinz auf Paris zumarschiert und den Norden innerhalb eines Monats überrollen wird. Frankreich lebt in Angst und Schrecken… und die Landbevölkerung ist
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