Hueter Der Macht
entschuldigen, Prior. Mein Verhalten ist unverzeihlich. Ich bitte um Vergebung und darum, dass Ihr mir eine passende Strafe auferlegt.«
Bertrand musterte ihn sorgfältig. Seine Reue schien echt zu sein – wenn auch ein wenig übereilt – und vielleicht war es verständlich, dass ein Mann wie Thomas hin und wieder in die Gewohnheiten seines früheren Lebens zurückfiel.
»Ihr müsst lernen, Euch zu beherrschen, Bruder Thomas.«
»Ja, Bruder Prior.«
»Die Totenmesse für Papst Gregor findet in fünf Tagen statt. Ich möchte, dass Ihr bis dahin jeden Tag die Stunden von der Prim bis zur Non im Bußgebet in der Kapelle verbringt. Nach dem Mittagessen werdet Ihr bis zur Vesper in die Straßen rund um den Marktplatz gehen und den Huren, die Ihr dort findet, die Füße waschen.«
Thomas starrte ihn ungläubig an. In seinen braunen Augen spiegelte sich Entsetzen und mehr als nur ein Funke seines früheren Zorns.
Der Prior kannte ihn inzwischen gut genug, um zu wissen, dass es der überhebliche Adlige in Thomas war, der von der Buße beleidigt war, und nicht der fromme Mönch, und er hielt seinem Blick mühelos stand.
Schließlich sah Thomas zu Boden. »Vergebt mir, Bruder Prior«, flüsterte er.
»Ihr müsst Euch in Demut üben, Bruder Thomas.«
»Ja, ich weiß.«
»Dann tut es auch!«
Thomas’ Kopf und Schultern erbebten. »Ja, Bruder Prior.«
»Ihr werdet mit dem Rest unserer Ordensgemeinschaft an Gregors Totenmesse teilnehmen«, fuhr der Prior fort, »und dann werdet Ihr bis zum Tag des Konklave weiter Buße tun.«
Thomas erstarrte, doch er sagte nichts.
»Ihr dürft gehen, Bruder.«
Thomas nickte. »Ich danke Euch, Bruder Prior.« Er erhob sich und ging zur Tür.
Als er sie öffnete, sagte Bertrand: »Bruder Thomas?«
Der Mönch drehte sich um.
»Bruder Thomas… es ist lange her, seit ich das letzte Mal über Bruder Wynkyn gesprochen habe. Jetzt bin ich ein alter Mann und will nicht mehr länger schweigen. Wenn unser neuer Heiliger Vater gewählt ist und Ihr genügend Buße getan habt – und diese Buße müsst Ihr zu Ende bringen –, könnt Ihr um eine Audienz bei mir bitten, und ich werde wieder mit Euch sprechen. Ihr dürft gehen.«
Thomas verneigte sich und schloss die Tür hinter sich.
Spät in der Nacht, als die Brüder in ihren Zellen waren und schliefen oder beteten, ging Bertrand leise in die Bibliothek, holte sämtliche Aufzeichnungen des Klosters von 1290 bis zur Zeit der Pest und trug sie hinauf in die leere Küche.
Dort warf er sie ins Feuer. Die Chroniken zu verbrennen, widersprach jedem Instinkt und Prinzip, über die Bertrand verfügte, sowohl als Geistlicher als auch als Gelehrter. Doch er hätte es schon vor vielen Jahren tun sollen – jede Spur von Wynkyn de Worde aus den Aufzeichnungen des Klosters tilgen. Und obwohl es nun eigentlich zu spät war, wusste Bertrand, dass er die Bücher verbrennen musste, und wenn auch nur, um Sant’ Angelo von der Erinnerung an den verrückten Mönch zu reinigen.
Er stand da und sah zu, wie das Pergament zu Asche verbrannte. Dann nahm er einen Schürhaken und stocherte damit in der Glut, aus Angst, dass auch nur ein Wort überleben könnte.
Schließlich schleppte er sich gebückt und müde in sein Bett zurück.
Kapitel Vier
Mittwoch in der Karwoche
Im einundfünfzigsten Jahr der Regentschaft Eduard III.
(17. April 1378)
Die Stunden, die Thomas ausgestreckt vor dem Altar der Kapelle verbrachte, waren die herrlichsten, die es für ihn gab. Die Kälte des Steinfußbodens störte ihn nicht – er bemerkte sie nicht einmal. Während der Gebetsstunden kümmerten ihn die vorbeigehenden Füße seiner Brüder ebenso wenig wie ihre Blicke – er hatte eine solche Erniedrigung verdient, und er genoss sie auch. Er lag mit dem Gesicht auf den Stein gepresst da, die Arme ausgebreitet, und betete um Gnade, um größere Bescheidenheit und die Stärke, die er brauchen würde, um dem heiligen Michael dienen zu können, dem Boten Gottes selbst.
Die Stunden, die Thomas in den schmutzigen Straßen Roms verbrachte, um die Füße der noch schmutzigeren Huren zu waschen, kamen ihm jedoch so vor, als wäre er in der Hölle selbst gelandet, um die besudelte Haut der Zofen des Teufels zu säubern.
Er fürchtete das Läuten der Non-Glocken und die unvermeidliche Hand Prior Bertrands auf seiner Schulter, die ihn stumm dazu aufforderte, zu gehen. Nach so vielen Stunden des Liegens auf dem kalten Boden der Kapelle von Krämpfen
Weitere Kostenlose Bücher