Hueter Der Macht
und zwei dominikanische Mönche waren unbedeutend im Vergleich zu den Scharen von Bischöfen und Erzbischöfen, heiligen Eremiten, eifrigen Verkündern der Verdammnis und Nonnen mit verzücktem Blick, die vom Heiligen Geist besessen waren.
Thomas presste die Lippen zusammen, während er für sich und den Prior einen Weg durch die Menge bahnte. Die meisten dieser Eremiten, Propheten und Nonnen waren Scharlatane, die ihre Hände aufhielten und dabei schrien, dass Verdammnis die Pilger erwarte, wenn sie nicht bereit wären, sich für einen Segensspruch von ihren letzten Silberlingen zu trennen.
»Erlässt der Papst nicht Gesetze, um die Straßen von solchem Gesindel frei zu halten?«, murmelte er, während er und Bertrand einen Moment lang von den Vorbeidrängenden gegen eine Steinmauer gedrückt wurden.
»Rom ist schon immer mit solchen Bittstellern geschlagen gewesen«, erwiderte Bertrand. »Manchmal war es sogar noch schlimmer. Als Bonifatius einige Jahre vor seinem Tod das große Ablassjahr ausrief, wurde Rom von über einer Million Pilger überschwemmt… und von all den Scharlatanen, Huren, Reliquienhändlern und Geldverleihern, die das Geschäft mit den Pilgern anzieht.«
Thomas starrte Bertrand an und vergaß einen Augenblick lang die vielen Menschen um sich herum. »Eine Million Pilger? Das ist unmöglich!«
»Und doch ist es wahr, mein Sohn. Manche sagen, die Zahl sei sogar noch größer gewesen.«
Thomas schüttelte den Kopf, unfähig, sich eine Million Menschen vorzustellen. Rom hatte normalerweise dreißigtausend Einwohner – und das war für eine Stadt im christlichen Abendland schon ungewöhnlich. Hier hatten nur wenige Städte mehr als zweitausend Einwohner. Aber eine Million?
»Heiliger Herr im Himmel«, flüsterte er, »wie hatte Rom einem solchen Ansturm nur standhalten können?«
»Rom hat vieles überlebt, Thomas. Den moralischen Verfall und Wahnsinn der römischen Kaiser, die Invasionen der Barbaren und Ungläubigen und die teuflischen Machenschaften der Könige. Eine Flut von Pilgern konnte der Stadt nun auch nichts mehr anhaben.«
Aber eine solch große Menge, dachte Thomas, und die Sünde, die sie mit sich gebracht haben musste.
»Kommt!«, sagte Bertrand und packte Thomas’ Ärmel. »Ich sehe eine Lücke vor uns!«
Sie stiegen so schnell wie möglich die Stufen hinauf, die zum Eingang des großen Platzes führten, der vor dem Petersdom lag – sie würden die Gemächer des Papstes durch die Basilika betreten müssen. Die Stufen waren ebenso überfüllt wie die Straßen, und Thomas stellte angewidert fest, dass der Platz voller Stände von Geldverleihern und Reliquienhändlern war. »Wie kann der Papst das dulden«, sagte er und wies mit der Hand auf das Getümmel. »Das ist wie die Szene vor dem Tempel Jerusalems!«
»Gold kann selbst Päpste duldsam gegenüber dem Bösen machen«, sagte Bertrand und zerrte Thomas weiter, ehe dieser noch auf die Idee kam, es Jesus gleichzutun, und die Tische umzuwerfen. Bertrand wollte das Ganze gern hinter sich bringen und, was auch immer die Unterredung ergebend mochte, Thomas so schnell wie möglich in weiter Ferne wissen.
Bertrand kümmerte es nicht, dass Thomas im Namen der Engel sprach. Das hatte Wynkyn de Worde auch behauptet, und Bertrand wusste nicht, wie oft er Gott dafür gedankt hatte, dass der verrückte Mönch aus Nürnberg nicht mehr zurückgekehrt war.
Im Petersdom war es nach dem Trubel auf dem Vorplatz und den Straßen vergleichsweise ruhig. Das Hauptschiff der Basilika war voller Pilger und Büßer, aber es war still, abgesehen von dem Gemurmel der Gebete, und die meisten knieten in ordentlichen Reihen vor dem Altar des heiligen Petrus oder vor einem der Gräber in den Seitenschiffen.
Bertrand und Thomas machten einen Kniefall, verneigten sich vor dem Grab des heiligen Petrus und gingen dann den rechten Gang auf eine kleine Tür zu, die sich nach etwa zwei Dritteln des Weges in der Nordwand der Basilika befand. Sie wurde gut bewacht, doch Bertrand flüsterte seinen und Thomas’ Namen, und die Wachen ließen sie durch.
Sie fanden sich in einem kleinen Gang wieder, in dem es nach dem Getümmel auf den Straßen und dem Vorplatz herrlich ruhig war, und Bertrand wies auf die Tür an seinem Ende. »Dort hindurch. Wir werden im hinteren Teil der Kapelle herauskommen. Verneigt Euch vor dem Papst, auch wenn er Euch wahrscheinlich nicht sehen wird, und tretet dann mit mir zur Seite. Die Sekretäre des Papstes haben Euren
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