Hueter Der Macht
und jeden Tag um die Erlösung Eurer Seelen beten.«
Der Kardinal verzog noch immer keine Miene. »Eure Befehle besitzen kein Gewicht. Ihr könnt meine Gefährten und mich in irgendein Gefängnis stecken, doch wisset, dass Ihr dadurch Eure Seele nur noch mehr beflecken werdet. Ihr seid nur die Parodie eines Papstes. Ein Witz.«
Urban ballte die Fäuste, und Thomas sah, dass er um Beherrschung rang. Einerseits war der Mönch wütend darüber, dass die Kardinäle tatsächlich vorhatten, wieder einen Franzosen auf den Papstthron zu wählen, andererseits widerte es ihn an, dass Gottes Willen von einem Grobian wie diesem vertreten wurde.
»Eine Parodie, mein Herr Kardinal. Wie viele Prinzen Europas werden mich für einen Witz halten? Wie viele würden eine weitere Marionette des französischen Königs auf dem Heiligen Stuhl unterstützen?«
Überall in der Kapelle wandten sich Männer an ihre Nachbarn und flüsterten aufgeregt miteinander.
»Gütiger Herr im Himmel!«, sagte Bertrand leise. »Wenn keiner von ihnen klein beigibt, werden Urban und die verbrecherischen Kardinäle einen Krieg vom Zaun brechen, der ganz Europa überziehen wird!«
Der bislang gelassene Kardinal verlor plötzlich die Beherrschung. Er stand auf und machte eine obszöne Geste in Urbans Richtung.
»Da!«, schrie er mit rotem Gesicht. »Das ist die einzige Sprache, die Ihr versteht, nicht wahr, Ihr italienischer Bauer? Lasst mich ziehen oder sperrt mich ein, das kümmert mich nicht, denn Eure Zeit ist jetzt schon vorbei!«
Er starrte den Papst noch einen Moment lang an und verließ dann den Raum.
Seine beiden Kollegen schlossen sich ihm an, ihre Gesichter waren starr vor Empörung.
Urban ließ sie gehen.
Er lehnte sich zurück und richtete den Blick auf die Menschen vor ihm. »Diese Verräter werden Europa in Stücke reißen«, sagte er, »und dabei ihre eigenen Seelen der Verdammnis überantworten. Ich bin der rechtmäßig gewählte Papst. Ein römischer Papst. Wenn sie diese Wahl, die ihnen der Teufel eingegeben hat, tatsächlich durchführen, wird sie außer den Franzosen kaum jemand unterstützen.«
In seinem Gesicht zuckte es und seine Hände krampften sich um die Armlehnen des Thrones. »Die Christenheit wird zwei Päpste haben«, sagte er, seine Stimme nun kaum mehr als ein Flüstern. »Was haben wir getan, um Gottes Missfallen zu erregen? Dass sich das Böse mitten unter uns befindet?«
Thomas starrte den Papst an und versuchte seine Abscheu angesichts des abstoßenden Gebarens des Mannes mit dem Gedanken in Einklang zu bringen, dass er ein wahrer Verbündeter sein könnte, auf den er sich verlassen konnte. Jeder Papst, der in Avignon gewählt wurde, war ein Werkzeug des französischen Königs… damit blieb also nur Urban, der die Kräfte der Kirche hinter den Kampf gegen die Kräfte des Bösen stellen konnte, das bereits in diesem Augenblick…
»Ach! Genug davon«, sagte Urban. »Was haben wir als Nächstes?«
Einer der Sekretäre reichte ihm einen Zettel.
»Was?«, rief Urban, während er las. »Irgendein halbverrückter Mönch glaubt für den Erzengel Michael zu sprechen? Der Himmel beschütze uns vor solchen Schwachköpfen! Wo ist er? Wo? Herr im Himmel, warum werde ich von solchen Narren belästigt? Wenn ich jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind Glauben schenken wollte, die ernstlich beschwören, ihnen sei dieser Heilige oder jener Engel erschienen, muss ich annehmen, dass die halbe Christenheit mit der Jungfrau zu Mittag isst!«
Urban knüllte den Zettel zusammen und warf ihn zur Seite. »Herr Jesus, bewahre mich vor den Dummen«, sagte er. »Ich habe zu viel zu tun, als dass ich mich auch noch um die Schwachsinnigen kümmern könnte.«
Thomas und Bertrand entfernten sich unauffällig. Thomas wutentbrannt, Bertrand bestürzt.
»Ich hatte keine Ahnung, dass er so… so… so…«, sagte Bertrand, als sie wieder auf dem geschäftigen Platz vor dem Petersdom standen.
»S6 abstoßend ist?«, beendete Thomas den Satz für ihn. »Er hätte es nicht verdient, den einfachsten Priester zu ersetzen, geschweige denn, Gottes Stellvertreter auf Erden zu sein! Und dennoch ist er der rechtmäßig gewählte Papst.«
»Da spricht Euer englisches Blut«, sagte Bertrand. »Alle Franzosen, Spanier und Schotten in dieser Menge hier würden den Kardinälen zustimmen. Nun gut, wir wollen versuchen, ungeschoren ins Kloster zurückzukehren.«
»Nein.« Thomas wandte sich ab. »Ich werde noch nicht zurückgehen. Ich muss überlegen, was
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