Hueter Der Macht
sein.«
Thomas lehnte sich zurück, den Krug immer noch in Händen. Wat musterte ihn neugierig und fragte sich, welche Gedanken ihm wohl durch den Kopf gehen mochten. Bedauerte er, dass er das Schwert gegen das Kreuz eingetauscht hatte?
»Eduard ist ein alter Mann«, sagte Thomas verächtlich, doch Erinnerungen an die Feldzüge, in denen er unter Eduard gekämpft hatte, durchfluteten ihn: der Reiz und die Lust am Kämpfen, den Stolz, den er empfunden hatte, als Eduards Blick auf ihn fiel, und der König nickte, ganz leicht nur, doch genug, um seine Anerkennung zum Ausdruck zu bringen. Jener Tag war der schönste seines ganzen Lebens gewesen, und Thomas musste sich gewaltsam von der Erinnerung losreißen. Er diente jetzt Gott und nicht mehr Eduard.
»Eduard ist zu Hause geblieben. Du weißt, wer diesen Feldzug anführt, Tom.«
»Ja«, flüsterte Thomas, während sein Blick ins Leere ging. »Der schwarze Prinz.« Bei allen Heiligen, nun durchströmten ihn so viele Bilder und Gefühle, dass er vergaß, wo er war, beinahe sogar, wer er war.
»Und Lancaster.«
Thomas blickte wieder Wat an. »Der Herzog von Lancaster ebenfalls?«
»Und außerdem sämtliche seiner Freunde und Verbündeten.«
Thomas schauderte. Sämtliche seiner Freunde und Verbündeten. Mit diesen Worten meinte Wat Tyler vor allem einen Namen: Hal, den schönen Prinzen Hal, Lancasters Sohn und Thomas’ Freund und Gefährte aus Jugendzeiten. Hal… Thomas zwang sich, die Erinnerung an ihn zu unterdrücken. Gütiger Herr im Himmel, er durfte nicht mehr darüber nachdenken! Hal war zwar sein bester Freund gewesen, doch er war auch bereitwilliger Verbündeter bei einigen von Thomas’ schlimmsten Exzessen gewesen. Hal war Versuchung, nicht süße Erinnerung, und das durfte Thomas nicht vergessen. Der heilige Michael hatte ihm gesagt, er müsse stark sein, also würde er stark sein. »Dieser Krieg ist aussichtslos«, sagte er steif. »Eduard muss einsehen, dass er das Anrecht auf den französischen Thron verloren hat.«
»Der Krieg aussichtslos? Du hast dich wirklich verändert, Tom.«
»Ja, ich habe mich verändert, Wat, und zwar zum Besseren hin.« Entschlossen, die Gedanken an die Vergangenheit abzuwehren – die Versuchung zur Sünde –, flüchtete sich Thomas in eine Frömmigkeit, die selbst für seine Ohren falsch klang. »Wie ich bereits sagte, Wat, Eduard ist ein alter Mann. Er sollte sich um sein Seelenheil kümmern, anstatt noch mehr Ruhm und Reichtum für sich und seine Söhne anzuhäufen.«
»Und ich nehme an, der schwarze Prinz und Lancaster sollen ebenfalls nach Hause zurückkehren und ihre verbleibenden Jahre auf den Knien vor irgendeinem Altar rutschen?«
»Es schadet niemandem, Buße zu tun, Wat. Du solltest dich um das Heil deiner eigenen Seele sorgen. Das Böse ist mitten unter uns.«
»Da kann ich dir nicht widersprechen«, murmelte Wat und wandte den Blick ab, »denn das Böse hat dir eindeutig die Seele geraubt!«
Wütend und beschämt zugleich – wie gelang es Wat nur immer, ihm das Gefühl zu vermitteln, er sei ein missratenes Kind? – drehte sich Thomas auf der Bank um und packte Wat an der Schulter. »Ich habe für meine Sünden gebüßt, Wat, und der Herrgott hat mir vergeben. Hat er das Gleiche für dich getan?«
»Halte mir keine Predigt, Tom! Nicht du! Du hast Rom deine Seele verkauft…«
»Ich habe niemandem meine Seele verkauft…«
»… und dabei solltest du dich darauf besinnen, dass du von Hause aus Engländer bist! Was, wenn Eduard deine Unterstützung und Treue einfordert… willst du ihn etwa abweisen?«
»Ich unterstehe niemandem außer Gott!«, zischte Thomas. »Ich diene einem höheren Herrn als Eduard und seinen erbärmlichen weltlichen Plänen…«
»Ich würde den Lohn eines Jahres darum geben, zu hören, wie du das dem König ins Gesicht sagst«, murmelte Wat mit dem Anflug eines Lächelns, doch Thomas sprach ungerührt weiter.
»… und jeder, der sich Eduards Hauptleuten anschließt, gefährdet seine Seele für einen unheiligen Zweck!«
»Du verstehst dich gut darauf, dich mit Heiligkeit zu umgeben, Thomas, doch du kannst nicht vergessen haben, wer und was du einmal warst.«
»Anscheinend bist du derjenige, der nicht vergessen kann, Wat. Wie kannst du es wagen, in solch vertraulichem Ton mit mir zu sprechen?«
Jetzt spiegelte sich Zorn auf Wats Gesicht. »Ich habe mich im Ton vergriffen, Herr. Vergebt mir.«
Thomas sah Wat in die Augen und wandte dann den Blick ab. Verflucht sollte er
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