Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hüter der Macht

Hüter der Macht

Titel: Hüter der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
Vom Netzwerk:
IERTER T EIL M AI 1433 BIS O KTOBER 1434
    »Mächtige darf man entweder nicht anrühren
    oder muss sie, wenn man sie einmal
    angetastet hat, aus dem Weg räumen.«
     
    Niccolò Machiavelli

1
    D er Mai des Jahres 1433 war ungewöhnlich heiß. Auch am letzten Samstagabend des Monats wollte die Hitze nicht weichen. Nachdem die Bittsteller den Palazzo in der Via Larga verlassen hatten, betrat Sandro das Kontor von Cosimo de’ Medici und legte ihm die Liste mit den Hilfsgesuchen jener Personen vor, die er nicht vorgelassen, sondern deren Anliegen er mit respektvollem Interesse notiert hatte, um sie dann mit der Zusicherung wegzuschicken, dass man sich nach besten Kräften um die Sache kümmern werde.
    Einen Augenblick später betrat auch Averardo de’ Medici das Kontor und ließ sich mit der ihm eigenen Unverfrorenheit unaufgefordert in einen gepolsterten Lehnstuhl fallen. »Ich sehe, ihr seid mal wieder dabei, euch gegen die Flut der Ungerechtigkeiten und Kränkungen dieser Welt zu stemmen und das Medici-Konto der Gefälligkeiten zu mehren«, sagte er spöttisch, zog ein Taschentuch hervor und wischte sich über das verschwitzte Gesicht. »Mir scheint, selbst der tapfere Sisyphos würde an dieser Aufgabe verzweifeln. Umso bewunderungswürdiger ist es, dass du so beharrlich daran festhältst und so viel Zeit und Geld darauf verschwendest.«
    »Wohl kaum aus Zeitvertreib, sondern aus Verpflichtung unseren Schutzbefohlenen gegenüber und nicht zuletzt auch aus purer Notwendigkeit«, erwiderte Cosimo trocken.
    Averardo grinste. »Jaja. Freunde und Gefolgsleute sollte man stets bei der Stange halten, nicht wahr?«
    »So ist es. Das ist heutzutage wichtiger denn je. Du weißt doch selbst, wie kritisch die Lage ist, und da kommt es im Volk auf jede Stimme an, die sich zum Banner der Medici bekennt.«
    Der muntere Ausdruck verschwand aus Averardos Gesicht. »Das ist leider nur zu wahr. Wir haben zurzeit einen schlechten Stand. Die üblen Kampagnen gegen uns zeigen allmählich Wirkung.«
    Cosimo nickte. »So mancher scheint vergessen zu haben, dass wir Medici es gewesen sind, die der Stadt mit immer neuen Krediten zur Seite gesprungen sind, als alle anderen Bankhäuser schon längst keinen Florin mehr zu geben bereit waren!«
    Averardo schnaubte. »Das Volk ist ein launischer Esel, dem Dankbarkeit fremd ist. Es schätzt wahrlich keine gute Tat«, grollte er. »Aber darum verstehe ich nicht, dass du Florenz schon nächste Woche verlassen und dich nach Cafaggiolo zurückziehen willst. Ich habe gerade Lorenzo auf dem Domplatz getroffen, der mir von deinem Entschluss berichtet hat. Sag, hältst du es wirklich für eine so gute Idee, jetzt schon das Feld zu räumen und den Albizzi, Peruzzi und Barbadori bei ihren perfiden Intrigen gegen uns freie Hand zu lassen?«
    »Es ist nur vernünftig, den Kopf unten zu halten, wenn die Alternative darin besteht, dass er einem abgeschlagen wird«, sagte Cosimo sarkastisch.
    »Das kann doch nicht dein Ernst sein!«
    »Natürlich nicht, aber manchmal ist es klüger, den Sieg nicht erzwingen zu wollen, sondern seine Truppen zurückzuziehen und aus sicherer Entfernung abzuwarten, wie die Dinge sich entwickeln. Vielleicht wird Rinaldo aus Ärger über die verpatzte Gelegenheit, sich als Eroberer von Lucca in das Ruhmesblatt der Geschichte einzutragen, ein anderes Ziel wählen als uns.«
    Sandro räusperte sich. »Soll ich wegen der Listen später noch einmal wiederkommen, Ser Cosimo?«
    Cosimo winkte ab. »Nein, bleib nur. Wir haben nichts zu bereden, was du nicht mithören könntest«, sagte er und fügte mit einem feinen Lächeln hinzu: »Zumal du mittlerweile schon einen viel tieferen Einblick in die Geschäfte unseres Hauses bekommen hast als die meisten anderen meiner Angestellten.«
    Sandro nickte nur. Er wollte sich nicht anmerken lassen, wie stolz er darauf war, dass er mit der Zeit in die vertrauensvolle Position eines persönlichen Sekretärs von Cosimo de’ Medici hineingewachsen war. Wenn er zurückdachte, hatte eigentlich alles damit begonnen, dass er die üblen Machenschaften des Vieri di Armando aufgedeckt hatte. Als Folge davon hatte Cosimo ihn nach und nach ins Vertrauen gezogen und ihm allmählich immer tiefere Einblicke in die Geschäfte des Hauses Medici gewährt, auch in die, die unter allen Umständen geheim bleiben mussten.
    »Die Stadt ist ein einziges Tollhaus, Cosimo, in dem Rinaldo und seine Brut immer mehr den Ton angeben!«, rief Averardo erregt. »Die Wahlen der

Weitere Kostenlose Bücher