Hüter der Macht
passieren lassen. Was er dann auf den Straßen mitbekommen hatte, war jedoch Anlass zu größter Besorgnis. Cosimo de’ Medici war nicht nur gefangen genommen worden, wie er bereits auf Cafaggiolo erfahren hatte, es war auch eine Balia eingesetzt worden, um über sein Schicksal zu entscheiden!
Unter dem Dach von Jacopos Schenke hatte Sandro eine sichere Zuflucht gefunden. Hier würde ihn bestimmt niemand aufstöbern und er hatte die belebten Morgenstunden gleich nach seiner Ankunft genutzt, um heimlich zum Mercato Nuovo zu schleichen und Matteo über seine Ankunft zu unterrichten.
Von Jacopo wusste er bereits, dass Tessa ganz krank vor Sorge um ihn sei. Sandro hatte daraufhin eine kurze Nachricht an sie geschrieben und Jacopo hatte einen seiner Gehilfen in die Via San Gallo geschickt.
Erst dann hatte er sich einen kurzen Moment der Ruhe gegönnt.
Sandro griff gerade zu dem fadenscheinigen Handtuch, um sich abzutrocknen, als es an der Tür klopfte.
»Ich habe dir doch gesagt, dass mir der Sinn wahrlich nicht nach einem Kartenspiel steht, Jacopo!«, rief er, während er zur Tür ging und öffnete. »Ich brauche ein wenig …«
Mitten im Satz brach er ab.
Vor der Tür stand nicht Jacopo, sondern Tessa.
»Sandro! Endlich bist du zurück! Tausend Tode habe ich um dich ausgestanden!«, stieß sie hervor und flog ihm in die Arme.
Vergessen waren alle Vorsätze, dass es zwischen ihnen nie mehr wieder zu Zärtlichkeiten kommen durfte. Die Sehnsucht, ihm nahe zu sein, ihn zu spüren und zu küssen, war stärker als jede Angst, und Sandro ging es ganz ähnlich. Angesichts seiner verzweifelten Lage wollte er sich nicht länger das kurze Glück versagen, das ihnen vergönnt war, mochte es auch nicht von Dauer sein.
»Tessa!« Sandro stieß die Tür mit dem Fuß zu, bevor ihre Lippen zu einem leidenschaftlichen Kuss verschmolzen.
Ihre Hände zerrten an der Kleidung des anderen, strichen erregt über nackte Haut. Sandro vergaß, weshalb er in die Stadt gekommen war, er schob das Schicksal seines Dienstherrn beiseite und dachte nur an das eine: daran, dass er alles auf der Welt für Tessa tun würde.
Die Minuten wurden zu Ewigkeiten. Irgendwann führte er sie sanft zum Bett und erst da hielt er einen Moment inne und zwang sich, ein Stück von ihr abzurücken.
Seine Augen suchten ihren dunklen Blick, in dem er die gleichen Gefühle las, die er für sie hegte. Auf ihren schönen Zügen lag ein so zärtlicher Ausdruck, wie er ihn noch nie an ihr gesehen hatte.
»Bist du dir sicher?«, flüsterte er, als sie ihre Hände um seinen Nacken legte und ihn zu sich hinabzog. »Bist du dir sicher, dass du das tun willst?«
»Ganz sicher«, flüsterte sie in sein Haar. »Wir gehören zusammen, Sandro. Wir sind füreinander bestimmt.«
Es war schon späte Nacht, als sie schließlich erschöpft nebeneinander auf der schmalen Pritsche lagen. Die Kerze war fast heruntergebrannt. Sandro hielt seine Geliebte in seinen Armen und hatte sein Gesicht in ihr wunderschönes dunkles Haar vergraben.
»Wo bist du die ganze Zeit über gewesen, mein Liebster?«, fragte Tessa schließlich flüsternd. »Ich dachte, ich müsste sterben vor Sorge um dich.«
Er berichtete ihr von den Geschehnissen auf dem Landgut der Medici und von seinem Auftrag, nach Pisa zu reiten. Als er geendet hatte, fragte er sie, wie sie es geschafft hatte, aus dem Palazzo der Vasetti zu kommen.
»Carmela hat mir geholfen. Gott segne diese gute Seele! Als sie mir deine Nachricht überbrachte und sah, wie verzweifelt ich war, weil ich nicht wusste, wie ich dich endlich wiedersehen könnte, hat sie mir ihren Schlüssel für eine Seitentür des Hofes überlassen. Und so habe ich mich dann aus dem Haus geschlichen. Gott sei Dank verschläft Fiametta den halben Tag und die ganze Nacht.«
»Meinst du, sie wird dir den Schlüssel noch einmal geben?« Er beugte sich vor und gab ihr einen langen Kuss. »Vielleicht schon morgen Nacht?« Er ließ seine Hand über ihren flachen Bauch gleiten.
Tessa lachte leise auf.
»Was ist?«, fragte Sandro verwirrt.
Sie strich ihm zärtlich übers Gesicht. »Ich lache über die Frauen wie Fiametta oder ihre Mutter. Immer sprechen sie voller Abscheu über die ehelichen Pflichten. Die Armen haben wahrscheinlich noch nie erlebt, was es wirklich heißt, wenn man jemanden liebt.«
»Aber wir erleben es gerade, oder?«, fragte er leise, und als er in ihre leuchtenden Augen sah, wusste er ihre Antwort.
8
E s war kühl und dämmrig im
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