Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)
wussten, dass sie noch etwas Geduld haben mussten.
„Ja, wir warten. Sie sollten wirklich bald kommen“, sagte Miki und ließ sich in einen der roten Sessel sinken. Emily setzte sich neben ihn, die Tasche mit dem Buch fest an sich gedrückt.
„Mr. Peeble ist wirklich ein netter Mensch“, sage Miki leise zu ihr. „Er hat nicht viele Fragen gestellt. Ich habe ihm nur gesagt, dass es sehr wichtig ist, und das hat ihm schon genügt.“
Emily warf Mr. Peeble einen Blick zu. Er hatte einen Lappen und ein Kännchen mit Öl hervorgeholt und putzte jetzt an der Mechanik herum, während er zufrieden vor sich hin summte.
Jetzt, wo sie in dem stillen Panoptikum saßen und warteten, wurde Emily wieder etwas ruhiger. Allmählich begriff sie, was an diesem Abend geschehen war, dass sie jetzt wirklich nur noch Minuten davon entfernt waren, die Wahrheit über den Geist und Mr. Shaddock zu erfahren. Und bald würden Finn und Linus befreit werden.
Als sie draußen Schritte hörte, sprang sie erleichtert auf. Auch Miki stand auf und drehte sich um.
Im selben Moment wussten beide, dass etwas überhaupt nicht stimmte. Emma kam als erste in den Saal, doch sie war bleich, und ihr Blick huschte nervös hin und her. Hinter ihr gingen Madame Foucault, mit entschlossenem Gesichtsausdruck… und Großtante Sophia.
Und als letzter betrat Archibald Shaddock das Panoptikum.
Täuschungen
„Nein!“, flüsterte Emily entsetzt. Was ging hier vor sich? Warum hatte Emma nicht bloß die Oberste Bibliothekarin verständigt, wie sie es beschlossen hatten? Alles kam ihr schrecklich falsch vor.
Die Temperatur im Raum schien zu sinken, als Shaddock Emily mit seinen eisigen Augen musterte. Unwillkürlich schob sie sich näher zu Miki und umklammerte schützend die Tasche mit dem Buch. Emma, die von Madame Foucault festgehalten wurde, versuchte verzweifelt, ihnen mit Blicken etwas mitzuteilen.
„Nein!“, rief Emily. „ Er ist der Geist, er gehört zur Gilde! Mr. Shaddock!”
Madame Foucault seufzte.
„Nein, das ist er ganz bestimmt nicht, Emily. Glaub mir, es gibt Beweise.“ Sie schaute von Emily zu Emma und Miki. „Mir scheint, es gibt hier einiges zu klären. Emma hat mir eine ziemlich wirre Geschichte erzählt, die sich um die Ereignisse vor dreißig Jahren dreht. Aus diesem Grund sind auch Archibald und Sophia hier... Archibald, Sophia, seid ihr damit einverstanden, diesen Kindern alles zu erklären? Ich fürchte, sie werden ansonsten ihre detektivische Tätigkeit weiterführen. Vieles haben sie bereits selbst herausgefunden.“
„Du hast doch gemeint, sie hätten die versteckten Schriften im Buch nicht entdeckt“, sagte Shaddock säuerlich. Emily hielt den Atem an. Madame Foucault war das gewesen, die mit Shaddock gesprochen hatte, als sie im Sanatorium gelegen hatte?
„Ich habe mich getäuscht“, gab Madame Foucault zu. „Also, was sagt ihr?“
Sophia nickte. Ihr Gesicht wirkte auf einmal sehr traurig, trotzdem lächelte sie Emily zu. Shaddock presste die Lippen zusammen und knurrte schließlich:
„Von mir aus. Auch wenn ich wirklich Besseres zu tun hätte.“
Wieder glitt sein eisiger Blick über die drei Kinder. Emily zitterte. Sie alle befanden sich in größter Gefahr… Shaddock war der Geist, und er konnte ihnen jederzeit etwas Schreckliches antun. Sie dachte an Shaddocks arme Schwester, die von ihm ermordet worden war, und an die beiden entführten Jungen…
Einen Moment lang wollte sie einfach nur weglaufen. Aber dann fragte Madame Foucault:
„Mr. Peeble, wären Sie so freundlich, ein Buch in Ihre Mechanik einzuspannen?“
„… ‘türlich, `türlich“, murmelte Mr. Peeble, und Madame Foucault blickte auffordernd zu Emily.
Emily zögerte. Emma zuckt unschlüssig die Schultern, doch Miki nickte, und endlich siegte bei Emily die Neugier. Sie zog das Buch aus ihrer Tasche und übergab es Mr. Peeble. Allerdings behielt sie Shaddock dabei die ganze Zeit im Blick. Sobald er auch nur die kleinste verdächtige Bewegung machen würde…
Mr. Peeble wankte auf die Bühne und spannte das Buch in die Mechanik ein.
„Wenn Sie sich setzen, kann’s losgehen“, sagte er.
Madame Foucault hob die Hand.
„Einen Moment noch. Ihr müsst zuerst einige Dinge erfahren, damit ihr auch versteht, was ihr seht.“ Sie hielt eine Weile inne. „Dreißig Jahre ist das jetzt her“, sagte sie, tief in Erinnerungen versunken. „Zu den jüngeren Buchbindern dieser Zeit zählten unter anderem Archibald Shaddock und seine
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