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Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)

Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)

Titel: Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Richner
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gelegentliche Knacken von Holz und das leise Rumpeln der Paternoster-Aufzüge durchbrachen die Stille.
    Emily betrat den Korridor, der ins Herz der Bibliothek führte. Vielleicht, überlegte sie, wollte der Geist in die unterirdische Bibliothek eindringen und einige der Bücher dort stehlen. Sie trat so leise wie möglich auf, während sie durch den Korridor ging. Kein Laut war zu hören.
    Und dann vernahm sie ein heiseres Flüstern.
    „Ich brauche deinen Platz, und bedauerlicherweise musst du dafür sterben.“
    Ein eisiger Schreck schnürte ihr die Kehle zu. So langsam wie möglich glitt sie um die letzte Biegung des Korridors und blieb in eine dunkle Ecke gepresst stehen. Wenn sie den Kopf ein winziges Bisschen nach vorne schob, konnte sie in den Raum blicken.
    Er war tatsächlich hier. Der Geist stand direkt vor dem Buch der Auserwählten und blätterte darin. Der Umhang, den er trug, verhüllte ihn vollständig. Am Gürtel baumelte ein Giftnetz. Und neben dem Geist stand Linus – die Augen mit einem Tuch verbunden. Er wirkte teilnahmslos, abwesend… so, als wäre er in Trance.
    „Na schön…“, flüsterte der Geist und drehte sich zu Linus um. Seine Hand tastete nach dem Giftnetz. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Emily auf die unwirkliche Szene. Linus, der seit Monaten verschwunden gewesen war, stand nur wenige Meter von ihr entfernt dort, und gleich würde der Geist sein Giftnetz auf ihn schleudern. Emily dachte daran, was sie im Panoptikum gesehen hatte, wie Nara gestorben war… der Geist begann das Netz von seinem Gürtel zu lösen… Linus stand noch immer regungslos dort, mit verbundenen Augen… hatten Emma und Miki die Wächter noch nicht alarmiert, fragte Emily sich verzweifelt, denn es würde nur noch Sekunden dauern, und Linus wäre tot…der Geist machte einen Schritt auf ihn zu…
    „Nein!“, schrie sie und trat in den Raum. Es war das Mutigste, was sie jemals getan hatte. Und wahrscheinlich auch das Dümmste, dachte sie, doch jetzt gab es kein Zurück mehr.
    Der Geist wirbelte herum.
    „Du kommst zur falschen Zeit, Mädchen“, flüsterte er, die Hand noch immer am Giftnetz. Auch jetzt, wo er direkt in ihre Richtung schaute, konnte Emily sein Gesicht unter der Kapuze nicht sehen. Ihr Herz hämmerte wie verrückt.
    „Sie können ihn nicht umbringen“, sagte sie. Obwohl sie versuchte, ihre Angst zu verstecken, zitterte ihre Stimme. Der Geist stieß ein heiseres Lachen aus.
    „Ich kann alles tun, was ich will, Mädchen. Ich werde ihn töten und dann dich.“
    „Aber warum? Lassen Sie ihn doch einfach gehen!“, rief Emily verzweifelt. Und mich auch, fügte sie in Gedanken hinzu, doch sie wusste, dass ihre einzige Hoffnung die Wächter waren.
    Der Geist schüttelte langsam den Kopf.
    „Ich brauche seinen Platz im Buch der Auserwählten. Ein anderer Name wird an seiner Stelle dort stehen. Der Name eines würdigeren Hüters.“
    Emily fiel ein, was Sophia ihr einmal erzählt hatte, über die beiden Jungen, die ausgewählt worden waren und nicht nach Arcanastra hatten kommen wollen. Ihre Namen waren aus dem Buch verschwunden, und dafür waren zwei andere Jungen ausgewählt worden. Das hatte der Geist also vor? Er wollte Linus beseitigen, damit ein Platz frei wurde…
    „Wenigstens war der Junge nicht völlig nutzlos“, flüsterte der Geist. „Ohne ihn wäre ich nicht in der Lage gewesen, in die unterirdische Bibliothek einzudringen.“
    „Sie sind dort reingekommen?“, fragte Emily und kämpfte gegen den Impuls an, einfach wegzulaufen. Wenn sie das täte, wäre Linus verloren.
    „Oh, natürlich bin ich nicht selbst hineingegangen. Ich konnte nicht riskieren, mich im Zwischenraum zu verirren – das hat dieser Junge hier für mich getan und mir die Bücher gebracht“, flüsterte er.
    Emily versuchte, ruhig zu atmen.
    „Aber man kann die unterirdische Bibliothek doch nur betreten, wenn man nicht zu den Büchern dort will“, wand sie ein.
    Wieder stieß der Geist ein Lachen aus. „Das wollte der Junge auch nicht. Er stand unter meinem Einfluss – nenn es Hypnose, wenn du willst. Wie jetzt.“
    Emily warf einen Blick zu Linus, der noch immer reglos dort stand, als würde er nichts um sich herum mitbekommen.
    „Glaubst du wirklich, ich wäre selbst durch die Katakomben gegangen, mitten hinein nach Arcanastra? Ein solches Risiko wäre ich niemals eingegangen. Allerdings hat der Junge mit der Zeit versucht, meine Hypnose abzuschütteln. Hat Zeichen hinterlassen. Stofffetzen! Und er

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