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Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)

Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)

Titel: Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Richner
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hat den Schieferstachler freigelassen, als er am unterirdischen Bestiarium vorüberkam…“ Der Geist lachte verächtlich.
    Emily schaute zu Linus. Es sah nicht so aus, als würde er sich gerade erfolgreich gegen die Hypnose wehren.
    „Genug geredet“, flüsterte der Geist und griff wieder nach dem Giftnetz. Emily überlegte fieberhaft und versuchte verzweifelt, Zeit zu gewinnen.
    „Aber Sie können ihn doch nicht so sterben lassen“, sagte sie zitternd. Der Geist hielt inne und schien sie zu mustern. Dann flüsterte er:
    „Ja, vielleicht hast du Recht. Ich sollte ihn erst aus der Hypnose erwachen lassen, damit er seinem Ende ins Auge sehen kann.“
    Entsetzt schüttelte Emily den Kopf. So hatte sie das nicht gemeint, und der Geist wusste es genau. Trotzdem zog er Linus die Augenbinde herunter. Emily starrte auf den Jungen… seine Augen wirkten leblos. Im nächsten Augenblick jedoch erwachte er aus seinem tranceartigen Zustand. Er schaute von Emily zum Geist und zurück. Die langen Monate der Gefangenschaft waren ihm anzusehen. Er wirkte nicht wie ein Kind, sondern wie ein erwachsener Mensch, der schon viel zu viel Schlimmes durchgemacht hat.
    „Genieß deine letzten Minuten als Hüter“, zischte der Geist höhnisch.
    „Genießen?“ Linus spuckte das Wort förmlich aus. „Diese verfluchte Stadt, diese verfluchten Bücher!“ Sein Blick irrte rastlos umher. „Ich hasse sie!“
    Der Geist machte eine unwillige Bewegung.
    „Wie kannst du das sagen?“, flüsterte er. „Siehst du nicht, welche Möglichkeiten sie bieten?“
    „Es liegt zu viel Macht in ihnen“, keuchte Linus. „Und sie wird von Menschen wie Ihnen missbraucht.“
    „Das hängt von der Sichtweise ab“, flüsterte der Geist. „Du weißt nicht, was ich erreichen werde, was ich tun werde…“
    Linus stöhnte.
    „Ich wünschte, ich hätte niemals von dieser elenden Stadt gehört! Das Buch hätte mich niemals auswählen sollen!“, schrie er.
    Emily sah die Verzweiflung in seinem Gesicht.
    „Schweig!“, zischte der Geist, doch Linus beachtete ihn nicht.
    „Ich wünschte, ich wäre kein Hüter!“, rief er.
    Im nächsten Moment verstummte er und starrte auf das Buch. Unwillkürlich schauten auch Emily und der Geist dorthin… kleine schwarze Buchstaben lösten sich von der Seite, schwebten über dem Buch…
    „Dein Wunsch hat sich soeben erfüllt“, flüsterte der Geist mit kalter Verachtung in der Stimme. „Du bist kein Hüter mehr.“
    Erst jetzt begriff Emily, was geschehen war. Das waren die Buchstaben von Linus‘ Namen…
    Linus nutzte den Moment aus. Während Emily und der Geist wie gebannt auf die Buchstaben starrten, drehte er sich um und lief los. Er verschwand so schnell, dass Emily nicht sagen konnte, wohin er gerannt war. Auch der Geist schaute ungläubig auf die Stelle, an der Linus eben noch gestanden war.
    „Nein!“, presste er so wütend hervor, dass Emilys Herz zu rasen begann und sie einen erschrockenen Schritt zurück machte.
    „Bleib stehen!“, zischte der Geist drohend. Dann trat er zum Buch der Auserwählten und blätterte darin.
    „Sein Name ist tatsächlich ausgelöscht“, flüsterte er und musterte Emily für einen Augenblick. Ihr Herz hämmerte, und ihr war übel. Vom Geist ging eine solche Bedrohung, eine solche Kälte aus, dass sie es kaum aushielt.
    Dann widmete er sich dem Buch und vollführte eine Handbewegung. Im selben Moment spürte Emily, wie die Mechanik vibrierte, die sie wie immer um den Hals trug… und die Buchstaben von Linus‘ Namen veränderten sich und sanken auf das Buch der Auserwählten zurück.
    Auch wenn alles in Emily sich dagegen sträubte, machte sie einige vorsichtige Schritte in Richtung Buch, um den neuen Namen darin lesen zu können.
     
    Crispin Caligo
     
    Sie hatte noch nie von ihm gehört.
    „Und nun“, flüsterte der Geist, „da du dies alles gesehen hast, musst du sterben.“
    Emily war unfähig, sich zu rühren oder einen klaren Gedanken zu fassen. Sie nahm alles wie in Zeitlupe wahr. Der Geist griff nach dem Giftnetz an seinem Gürtel, löste es, und Emily starrte wie gebannt auf die dunkel schillernden Farben, und dann schwebte das Netz durch den Raum, direkt auf sie zu, und Emily dachte an Nara, die sich in einem solchen Netz verfangen hatte, an ihre zusammengesunkene Gestalt dort im Moor, und das Netz war nun über ihr, schimmerte violett und schwarz und purpurrot, und Emily wusste, dass es keine Sekunde mehr dauerte, bis es sie umhüllen und töten

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