Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)
gegenüber der Seite mit dem Bahnhof und der Goldenen Stadt befanden.
Das Moor kam ihr nicht so bedrohlich vor wie beim letzten Mal, als sie nachts hier gewesen war. Zwar knirschte, knarrte und gluckerte es auch in dieser Nacht, doch die unheimlichen Geräusche schienen nichts im Vergleich zu der Gefahr, die vom Geist ausging. Bei jedem lauteren Knacken drehte Emily erschrocken den Kopf.
Du kannst aufhören, ständig zusammenzuzucken, so nah ist er nicht, dachte Amy nach einer Weile.
Siehst du ihn? , fragte Emily und spähte ängstlich ins Moor.
Ja, und ich höre ihn. Er ist fast hundert Meter weit weg.
Emily verließ sich ganz auf ihre Katze. Ihr war klar, dass Amy besser hören und sehen konnte und sich offensichtlich im Moor auskannte. Sie war noch nie so froh gewesen, sie bei sich zu haben.
Danke, dass du mich gerettet hast , dachte sie.
In diesem Moment blieb dieKatze stehen und drehte lauschend die Ohren.
Ich glaube… begann sie.
Ja? , fragte Emily nervös.
Wir bekommen Besuch. Er hat SIE gerufen!
Amys Nackenhaare stellten sich auf, und sie ließ ein leises Grollen hören. Mit angehaltenem Atem starrte Emily in dieselbe Richtung wie die Katze.Die ganze Zeit schon hatte sie unbewusst geahnt, dass dies passieren würde.
Zwischen den Bäumen schimmerte es, und die Irrlichter kamen rasch näher. Es mussten Dutzende sein.
Kampf im Moor
Emily wusste sofort, dass sie keine Chance hatte. Die Irrlichter näherten sich aus allen Richtungen. Erst war ihr Schimmern noch weit entfernt und blitzte nur manchmal zwischen den Baumstämmen auf, doch bald waren sie immer deutlicher zu sehen. Schließlich verharrten sie in einem weiten Kreis um Emily und Amethyst.
Und den Geist.
„Ah, hier hast du dich versteckt“, flüsterte er, kam um einen Felsen herum und trat auf Emily zu. Die Szene war gespenstisch: Das Summen der Irrlichter erfüllte die Luft, auf den Oberflächen der dunklen Wasserlöcher spiegelten sich Lichtreflexe, und der Geist stand bedrohlich vor ihr. Es war vielleicht die aussichtsloseste Lage, in der Emily sich jemals befunden hatte, aussichtsloser noch als vorher im Herzen der Bibliothek.
„Hast du wirklich geglaubt, du könntest mir entkommen? Meine Macht reicht weiter, als du dir vorstellen kannst“, flüsterte der Geist und zeigte auf die schwebenden Irrlichter. Emily blieb stumm. Amethyst neben ihr fauchte leise und wich hinter einen Felsbrocken zurück.
„Du hast nur hinausgezögert, was ohne Zweifel geschehen wird, Mädchen. Meinem Netz bist du entkommen, doch das wird dir nichts nützen“, fuhr er fort. Emily stiegen Tränen in die Augen. Sie dachte an sehr viele Dinge: An ihre Eltern, die sie vielleicht nie wieder sehen würde, die bestimmt gewusst hatten, wie gefährlich es in Arcanastra war und sie trotzdem hatten gehen lassen. An ihre Großtante und all die Wächter, die irgendwo durchs Moor streiften auf der Suche nach Finn, anstatt ihr zu Hilfe zu kommen. An Amethyst, die sie ein Mal gerettet hatte, die aber gegen Irrlichter auch nichts ausrichten konnte und die noch immer mit gesträubtem Fell hinter dem Felsbrocken kauerte.
Die Irrlichter rückten näher.
Emily schloss die Augen, auch wenn sie aus Erfahrung wusste, dass es nichts nützen würde. Schon begann ein wohliges Gefühl durch ihren Körper zu strömen, und eine tiefe Ruhe überkam sie. Das Summen wurde intensiver, sie konnte die Lichter durch ihre Lider sehen… jeden Moment würde sie die Augen öffnen und das Bewusstsein verlieren… und dann verblasste die angenehme Leichtigkeit allmählich wieder. Das Licht wurde schwächer, und Emily hatte das Gefühl, dass die Irrlichter sich zurückzogen.
Verwirrt blinzelte sie.
Die Szene hatte sich verändert. Die Irrlichter schwebten in einem weiteren Kreis als zuvor um sie, und innerhalb dieses Kreises befanden sich nun zwei weitere Wesen: Manley und das Irrlicht Nara. Emily starrte die beiden an. Auch der Geist betrachtete die Eindringlinge, mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen. Das Irrlicht Nara sah noch genau so aus wie das Mädchen, das er vor so langer Zeit entführt hatte und an dessen Tod er Schuld war.
„Rührend“, zischte er. „Mutter und Sohn.“
Manley rührte sich nicht. Er stand einfach dort und schaute den Geist an. Angst schien er überhaupt keine zu haben.
„Wie bitter muss das für dich gewesen sein“, zischte der Geist. „Ohne Mutter aufzuwachsen und zu wissen, dass der eigene Onkel sie umgebracht hat… aus lauter
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