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Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)

Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)

Titel: Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Richner
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fuhr. Jemand streckte die Hand aus einem anderen Korridor und holte das Kaninchen aus dem Paternoster. Emily hörte unterdrücktes Gelächter.
    Durch das Fenster konnte sie in weitere Korridore und Räume blicken. Eine Weile schaute sie all den Menschen zu, die sich durch den Bibliotheksturm bewegten wie Ameisen in ihrem Bau. Dann aber ging sie in den Raum zurück, in dem Sophia und Madame Foucault beisammen saßen. Sie trat zu einem der Bücherregale und tat so, als würde sie die Titel studieren, während sie in Wahrheit wieder angestrengt lauschte. Leider sprachen die beiden Frauen jetzt so leise, dass Emily nichts verstehen konnte.
    Ein Buchtitel fiel ihr ins Auge: Seltene Wesen stand in vergoldeten Buchstaben dort. Emily zog das dicke Werk hervor und schlug es auf. Fasziniert blätterte sie durch die Seiten. Es gab unzählige Abbildungen von verschiedensten Lebewesen, die sie noch nie gesehen hatte. Die Schrift war so verschnörkelt, dass Emily sie kaum entziffern konnte.
    „Interessante Bücher, nicht wahr?“, sagte Sophia.
    Emily nickte. Als sie sich zu ihrer Großtante umdrehte, bemerkte sie, dass sich nur noch sie beide im Raum befanden. Die Oberste Bibliothekarin war verschwunden.
    „Lass uns nach Hause gehen“, schlug Sophia vor. „Ich will endlich diese Lockenwickler loswerden, die pieken wie verrückt.“ Sie stand auf und stellte das Buch mit der Landkarte zurück ins Regal. Dann griff sie nach einem Gerät, das auf dem Tisch lag. Es sah aus wie eine Art Uhr.
    „Ist das auch eine Mechanik?“, wollte Emily wissen.
    Sophia nickte und klappte das Gerät auf. „Diese hier hat Finn gebaut – du hast ihn ja bereits kennen gelernt. Es ist ein Kompass. Du kannst ihn eine Weile ausleihen, damit du dich in Arcanastra besser zurechtfindest.“
    „Und wie funktioniert er?“, fragte Emily, denn der Kompass sah ganz anders aus als diejenigen, die sie kannte. Unter dem Deckglas befand sich ein winziger Plan der Stadt mit einer verschiebbaren Lupe. Diese lag gerade in der Mitte des Kompasses und vergrößerte den Ausschnitt mit dem Bibliotheksturm. Am Rand des Kompasses lief eine schmale Bahn entlang, in der eine silberne Kugel hin und her rollte. Außerdem gab es unzählige Rädchen, an denen Sophia jetzt drehte.
    „Mit diesen Rädchen kannst du dein Ziel einstellen“, antwortete sie. „Ich schlage vor, wir wählen mein Haus.“ Ein klitzekleiner Metallknopf schob sich über den Plan der Stadt bis zu einem Gebäude. Gleich darauf rollte die Kugel am Rand zielstrebig zu einem bestimmten Punkt und blieb dort liegen, auch wenn Sophia die Mechanik leicht kippte.
    „In die Richtung, in der die Kugel liegt, musst du gehen“, erklärte Sophia. Dann streckte sie Emily den Kompass hin. „Du kannst ihn so lange behalten, bis du ihn nicht mehr brauchst.“
    „Danke“, murmelte Emily erfreut. Sie hatte sich schon gefragt, wie sie sich im Labyrinth dieser Stadt jemals zurechtfinden sollte. Und wie sollte das besser gehen als mit dieser Mechanik?
    Sophia und Emily holten den Koffer und verließen die Bibliothek. Als sie zwischen den wispernden Bäumen unter der Metallkuppel hindurchgingen, bemerkte Emily:
    „Ich habe noch nie Pflanzen gesehen, die flüstern.“
    Sophia lächelte. „Ach ja, die Silberbuchen. Aus ihnen wurden – und werden – die Werke in dieser Bibliothek hergestellt.“
    „Was genau steht eigentlich in all den Büchern?“, fragte Emily wissbegierig.
    „Du hast gesehen, wie unendlich groß die Bibliothek ist… wie viele tausend Bücher dort stehen“, antwortete Sophia. „Einige von ihnen kann niemand mehr lesen, weil die Schriften vergessen gegangen sind. Andere hat seit hunderten von Jahren niemand mehr in der Hand gehalten. Es sind einfach zu viele. Niemand kann sagen, was alles in diesen Büchern zu finden ist. Fang einfach irgendwo an zu lesen – auf jeder Buchseite wirst du etwas Geheimnisvolles entdecken.“
    „Zum Beispiel die Anleitung, wie man einen solchen Kompass bauen kann?“, fragte Emily.
    „Ja, zum Beispiel“, nickte Sophia. „Oder all die Mechaniken, die du vorher in den Werkstätten gesehen hast. Sie können nur in Arcanastra hergestellt werden, weil man dazu das Wissen aus den Büchern braucht. Die Antriebe der Luftschiffe und der Straßenbahnen ebenfalls. Sie werden auch in die anderen Städte geliefert. Die Menschen dort haben zwar einige Male versucht, selbst Luftschiffe mit eigenen Antrieben zu konstruieren, doch sie taugten nicht sehr viel – fortwährend

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