Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)
gab es Abstürze.“
Sie schwieg eine Weile. Dann fügte sie hinzu:
„Du musst wissen, dass es nur wenigen Menschen erlaubt ist, Arcanastra zu betreten und in den Büchern der Bibliothek zu lesen – man nennt diese Menschen die Hüter der verborgenen Bücher.“
Als Sophia das sagte, erinnerte sich Emily daran, was im Brief ihrer Mutter gestanden hatte:
Wir wissen, dass die Bücher ihre eigenen Gesetze haben. Wenn sie Emily zu ihrem Hüter gewählt haben, müssen wir das wohl akzeptieren.
„Dann sind wir beide also auch Hüter“, überlegte sie stirnrunzelnd. „Aber… wie sind wir das geworden?“
„Nun, die Bücher in Arcanastras Bibliothek suchen sich die Hüter selbst“, erwiderte Sophia. „Genau gesagt ist es ein bestimmtes Buch, das die Auswahl trifft – das sogenannte Buch der Auserwählten. Darin erscheinen immer wieder Namen von Kindern. Diese sind die neuen Hüter. Sie dürfen nach Arcanastra kommen, hier leben und in den Büchern lesen. Die meisten von ihnen sind Nachkommen der Stadtgründer, aber nicht alle. Niemand weiß genau, wie das Buch seine Wahl trifft. Es ist ein großes Rätsel, warum das Buch auch immer wieder jemanden aus der Familie Rubinstern auswählt. Es muss irgendetwas mit Andri zu tun haben.“
„Wie hat er diesen Ort entdeckt?“, fragte Emily.
„Ach, wenn ich das wüsste“, meinte Sophia, während sie an ihren Lockenwicklern zupfte. „Es hat drüben wohl immer wieder Leute gegeben, die über diesen Ort Bescheid wussten, und vielleicht hat Andri einen von ihnen getroffen. Ich glaube auch, dass sich Hinweise in alten Büchern finden lassen, die irgendwo in einem Antiquariat oder vergessen auf dem Dachboden eines Hauses liegen.“
„Und gibt es noch andere wie uns?“, wollte Emily wissen. „Die von drüben kommen?“
„Nur sehr wenige“, antwortete Sophia. „Doch was auch immer der Grund dafür ist – kürzlich ist dein Name im Buch der Auserwählten erschienen, so wie eines Tages meiner.“
Mittlerweile waren sie wieder in die Bahn gestiegen und fuhren durch die steilen Straßen abwärts.
„Die Aufgabe der Hüter ist es, über die Bibliothek und das Wissen in den Büchern zu wachen“, fuhr Sophia mit ihren Erklärungen fort. „Dies sollten sie zum Wohl aller Menschen tun. Leider gibt es aber auch Hüter, die lieber auf ihren eigenen Vorteil achten. Weißt du, einige der Bücher hier sind sehr außergewöhnlich… ich meine, wirklich außergewöhnlich…“
Doch obwohl Emily sie erwartungsvoll ansah, sagte Sophia nichts Genaues mehr dazu. Sie meinte nur noch:
„Aber das wirst du bald selbst herausfinden.“
Emily nickte. Trotzdem hatte sie noch weitere Fragen.
„Und die Menschen aus den anderen Städten hier… aus der Ringstadt und aus Sieben-Drachen-Stadt zum Beispiel… sie dürfen nicht nach Arcanastra kommen? Nur, wenn sie im Buch der Auserwählten stehen?“
„So ist es“, pflichtete Sophia ihr bei.
„Und wenn sie trotzdem herkommen?“, wollte Emily wissen.
Sophia lächelte gelinde. „Das ist kaum möglich. Das Moor um Arcanastra ist voll von Irrlichtern und anderen Wesen. Kein Nicht-Hüter, der bei Verstand ist, würde es wagen, dieses Moor zu durchqueren oder mit einem Luftschiff darüber zu fliegen. Die Irrlichter würden es fühlen, selbst aus sehr großer Entfernung. Ihre Macht über die Nicht-Hüter reicht weit… sie würden sie hypnotisieren und ihr Eindringen in Arcanastra verhindern. Nein, nur Hüter können diese Stadt betreten. Natürlich würden manche Menschen, die keine Hüter sind, alles dafür geben, trotzdem hierher zu kommen. Die Stadt ist schon viele Male angegriffen worden… manchmal offen, manchmal versteckt.“
Während die Bahn sie rumpelnd durch Arcanastra fuhr, begriff Emily allmählich, was ihre Großtante ihr alles erzählt hatte. Heute war ohne Zweifel der aufregendste Tag ihres Lebens. In ihrem Kopf schwirrte es, und sie konnte nur an all die interessanten und geheimnisvollen Dinge denken, von denen sie auf einmal umgeben war. Am liebsten hätte sie sich sofort hingesetzt und in den Büchern gelesen, um all ihre Geheimnisse zu entdecken.
„Sophia“, fragte sie. „Darf ich das Buch der Auserwählten sehen?“
Vielleicht konnte sie all das eher glauben, wenn sie ihren Namen dort schwarz auf weiß sah.
„Natürlich“, versprach Sophia. „Gleich morgen.“
Katze und Ente
Auf dem letzten Stück des Weges ging es durch eine enge, gewundene Gasse wieder steil aufwärts. Emily keuchte. Der Koffer kam
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