Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)
und sputete los. Müde ließ Emily sich auf den Stuhl sinken. Sie freute sich aufs Bett. So erschöpft wie nach diesem Tag hatte sie sich selten gefühlt. Sie schloss die Augen und döste ein wenig vor sich hin. Gleich würde sie einschlafen…
Über den Flur tapsten Schritte. Emily öffnete die Augen wieder und horchte. Das klang weder nach ihrer Großtante noch nach Amy… Emily starrte zur offenen Wohnzimmertür und lauschte auf die Schritte, die immer näher kamen. Und näher. Und schließlich stehen blieben. Dann war ein fragendes Schnattern zu hören.
Ein Schnattern, überlegte Emily nervös, das konnte von keinem allzu bedrohlichen Wesen stammen.
Eine Ente mit einer Brille auf dem Schnabel erschien an der Tür, betrachtete sie mit schief gelegtem Kopf und watschelte zur Couch. Dabei rumste sie permanent gegen die Bücherstapel. Erwartungsvoll wendete sich die Ente dem Besuch zu.
„Willst du auf die Couch?“, fragte Emily.
Natürlich erwiderte die Ente nichts darauf. Also ging Emily zur Couch hinüber und schichtete einige Bücher um, so dass eine freie Ecke entstand. Die Ente hüpfte auf den abgewetzten Bezug und ließ sich darauf nieder.
„Ich hoffe, du hast es bequem“, murmelte Emily und setzte sich wieder auf ihren Stuhl.
Gleich darauf kam Sophia mit einem Tablett zurück, das über und über mit Essbarem beladen war.
„Ich sehe, du hast mein Haustier getroffen“, sagte sie lächelnd, während sie mehrere Platten mit Sandwiches, Keksen und Fleischbällchen auf den Tisch stellte. Aus einer Kanne schenkte sie Tee ein. Weil der Schnabel abgebrochen war, pladderte die Hälfte davon auf den Tisch.
„Die Ente ist dein Haustier?“, fragte Emily. „Du hast keine Katze?“
Sophia wischte mit dem Ärmel ihres Morgenmantels den verschütteten Tee weg.
„Ich hatte mal eine“, sagte sie betrübt. „Früher. Jetzt habe ich Samantha C. Nun ja, das Katzentürchen ist jetzt eben ein Ententürchen geworden. Samantha C. lebt schon seit mehreren Jahren bei mir. Langsam wird sie etwas kurzsichtig. Als sie zum dritten Mal mit voller Wucht gegen einen Bücherstapel gerannt ist, habe ich ihr eine Brille besorgt.“
Offensichtlich war die Brille zu wenig stark, dachte Emily, denn Samantha C. rannte noch immer gegen Bücherstapel.
„Wofür steht das C?“, nuschelte sie mit vollem Mund. Die Sandwiches schmeckten zwar etwas seltsam, aber Emily war so hungrig, dass sie trotzdem schon beim zweiten angekommen war.
„Na, für ihren zweiten Vornamen“, erklärte Sophia.
„Klar“, nickte Emily, „aber wie lautet ihr zweiter Vorname?“
Sie nahm einen Schluck Tee. Er schmeckte gleichzeitig nach Zimt, Spinat und Erde. Irritiert stellte Emily die Tasse wieder hin.
„Hm.“ Ihre Großtante schaute Emily an, als hätte sie eine völlig vertrackte Frage gestellt. „Ich kann mich gar nicht mehr erinnern… Camilla? Nein, das war’s nicht… vielleicht… Constance? Nein, auch nicht…“
Gedankenverloren schenkte sie sich selbst Tee ein, wobei wieder nur die Hälfte davon in der Tasse landete, und tunkte ein Sandwich hinein. Jeden Bissen kaute sie ewig lange, bis sie ihn hinunterschluckte. Emily wartete noch eine Weile, dann war sie überzeugt davon, dass ihre Großtante die Frage nach dem Namen der Ente vergessen hatte. War auch nicht so wichtig, dachte sie und probierte von den Hackfleischbällchen mit den Gemüsestückchen. Gleich darauf verzog sie das Gesicht. Die Bällchen schmeckten noch seltsamer als die Sandwiches, fast so wie…
„Das ist doch das Futter für die Tiere, Liebes“, erklärte Sophia.
Hastig schob Emily die Platte von sich weg und spuckte den Bissen, den sie bereits zerkaut hatte, so unauffällig wie möglich unter den Tisch. Mit Tee spülte sie sich den Mund aus. Lieber Erde und Spinat als Katzenfutter!
„Wo ist deine Katze denn eigentlich?“ Suchend sah Sophia sich um. Emily versuchte, all die unangenehmen Geschmacksempfindungen zu vergessen, und rief:
„Amy! Wo steckst du? Willst du was zu fressen?“
Es dauerte nicht lange, bis Amethyst im Wohnzimmer auftauchte. Emily stellte die Platte auf den Boden. Die Katze warf der Ente auf der Couch einen drohenden Blick zu, schnupperte an den Fleischbällchen und schaute Emily dann vorwurfsvoll an.
„Ich weiß“, murmelte Emily. „Es ist nicht das, was du gewohnt bist, aber etwas anderes habe ich nicht.“
Mit Todesverachtung begann Amethyst zu fressen. Dabei biss sie jedes Fleischbällchen an, ließ den Rest liegen und
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