Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)
entführten Mädchen.“
„Nach dieser Geschichte verschwand der Geist aus dem Moor. In den letzten Jahrzehnten gab es nur Gerüchte über die Gilde, und viele haben sogar geglaubt, dass sie gar nicht mehr existiert!“, gab Finn zu.
„Ja, meine Großtante zum Beispiel“, murmelte Emily.
Emma hatte schweigend zugehört. Jetzt fragte sie Finn:
„Woher weißt du das eigentlich alles?“
„Mein Vater ist einer der Hüter im Parlament von Sieben-Drachen-Stadt“, erklärte Finn. „Wir hatten oft andere Parlamentarier zu Besuch, und manchmal habe ich gelauscht. Über die Gilde und die Geister haben sie immer wieder gesprochen. Und weil dieser Geist, der jetzt Linus entführt hat, meiner Familie…“
Er unterbrach sich und biss sich auf die Lippe.
„Wie auch immer“, murmelte er. Emily und Emma schauten sich verwirrt an.
„Und niemand weiß, wer zur Gilde gehört?“, fragte Emily nach. „Man kennt keinen einzigen der Geister?“
Finn schüttelte den Kopf. „Deshalb ist es so schwierig, gegen die Gilde vorzugehen. Wenn du keine Ahnung hast, mit wem du es zu tun hast… aber ich habe es satt. Heute Nacht werde ich herausfinden, wer der Geist im Moor ist.“
„Und wie genau willst du das machen?“, fragte Emily unbehaglich.
Finn schaute sie entschlossen an. „Ich werde mich von einem Irrlicht entführen lassen.“
„Nein!“, rief Emily entsetzt.
„Ich wusste immer, dass du verrückt bist“, sagte Emma kopfschüttelnd. „Aber so verrückt…“
Jetzt schaute auch Miki von seiner Arbeit auf und redete sogar in ganzen Sätzen.
„Das ist nicht dein Ernst“, sagte er streng, doch Finns Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel zu.
„Ich habe mir einen Plan überlegt, aber ich brauche dazu eure Hilfe.“
Der Vorschlag, sich den Kopf kahl zu scheren, hätte bei seinen Freunden mehr Begeisterung ausgelöst. Trotzdem redete Finn unbeirrt weiter:
„Wir fahren mit der Straßenbahn durchs Moor und lassen die Tür offen. Ein Irrlicht kommt und entführt mich. Einer von euch muss mir mit möglichst großem Abstand folgen… derjenige kann das Ende eines langen Seils halten, das ich mir ums Handgelenk binde.“
„Und dann?“, fragte Emily kopfschüttelnd. Schon dieser Teil des Plans klang furchtbar.
„Dann… bringt mich das Irrlicht irgendwo hin, wahrscheinlich zum Schlupfwinkel des Geistes. Derjenige von euch, der mir gefolgt ist, versteckt sich und wartet eine Weile, bis die Irrlichter weg sind. Danach holt er die Wächter, die mich befreien und den Geist gefangen nehmen.“
Emily, Emma und Miki starrten Finn wortlos an.
„Das ist der dümmste Plan, von dem ich je gehört habe“, meinte Emma. Emily und Miki nickten heftig.
„Habt ihr einen besseren?“, schnaubte Finn.
„Ja, stell dir vor: Wir überlassen die Suche nach dem Geist einfach denjenigen, die dafür zuständig sind“, sagte Emma.
Finn drehte sich ungeduldig um. „ Ich werde um Mitternacht beim Bahnhof sein. Wenn ihr mir nicht helfen wollt, na schön. Dann finde ich eben alleine heraus, wer der Geist ist“, sagte er noch. Dann ging er wütend durch die Korridore davon.
„Das ist Erpressung“, seufzte Emily.
„Hast du etwa vor, ihm zu helfen?“, fragte Emma empört. „Ist doch nicht unser Problem, wenn er sich umbringen will.“
Emily zuckte die Schultern. Sie hätte es nicht fertig gebracht, Finn im Stich zu lassen.
„Na schön, na schön“, sagte Emma kopfschüttelnd. „Ich bin dabei.“
„Ich auch“, meinte Miki.
Eine Weile war es still. Dann erzählte Emily:
„Übrigens, Amy hat ein hüpfendes Buch gefangen.“
„Es hüpft?“, fragte Emma erstaunt.
„Na ja, es hüpft eigentlich nicht selbst“, erklärte Emily. „Eine mechanische Grille trägt es auf dem Rücken. Als ich einmal abends von der Bibliothek zurück zu Sophia ging, ist sie mir aus der Stadt gefolgt. Finn war auch dabei. Dann hat sich die Grille mit dem Buch im Haus meiner Großtante versteckt, bis Amy es gefangen hat. Und dann…“
Sie räusperte sich und machte eine Pause. Die anderen hielten sie vielleicht für verrückt, wenn sie von ihrem Erlebnis erzählte.
„Was war dann?“, fragte Emma neugierig. Emily gab sich einen Ruck.
„Dann habe ich zwischen den Zeilen eine andere Schrift gesehen. Aber nur ganz kurz, dann ist sie wieder verschwunden.“
Zu ihrer Erleichterung hielten Emma und Miki das durchaus für möglich.
„Was stand denn da?“, wollte Miki wissen.
„Ich hatte keine Zeit zum Lesen, die Schrift war gleich
Weitere Kostenlose Bücher