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Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)

Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)

Titel: Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Richner
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beeilte sich noch mehr, doch nach wenigen Augenblicken war das Flackern in den Ruinen wieder da. Heller als zuvor.
    „Oh nein, oh nein“, murmelte Emily und versuchte verzweifelt, nicht hinzusehen. Es schien ganz so, als würde Finns Plan funktionieren, mit einem kleinen Unterschied: Das Irrlicht griff nicht ihn an, sondern Emily!
    Sie ließ das Seil los und rannte blindlings vorwärts, so schnell sie konnte.
    Das Irrlicht folgte ihr mühelos. Erst tauchte es nur von Zeit zu Zeit zwischen Baumstämmen und Wasserlöchern auf, doch bald schwebte es direkt neben ihr her.
    „Finn!“, rief Emily verzweifelt, doch er schien sie nicht zu hören. Sie merkte, wie sie müde wurde. Etwas in ihr wollte, dass sie stehen blieb, das Irrlicht anschaute und ihm folgte, irgendwo hin, wo alles gut war. Das Verlangen in Emily wurde immer stärker. Verzweifelt kämpfte sie dagegen an.
    Dann stolperte sie über die Bahnschienen. Die Laterne fiel ihr aus der Hand und zerbrach, und sie schlug mit dem Knie so heftig gegen die metallene Schiene, dass sie einen Augenblick lang kaum Luft bekam vor Schmerz. Das Irrlicht schwebte auf sie zu. Emilys Herz hämmerte, und sie schloss unwillkürlich die Augen.
    Jetzt war es unheimlich still, nur ihr keuchender Atem war zu hören. Dann fühlte sie, wie das Irrlicht sich näherte. Es schien zu vibrieren. Leises Summen erfüllte die Luft, und ein heller Schein drang durch Emilys Augenlider. Das Irrlicht musste jetzt direkt vor ihr schweben.
    Verzweifelt kniff Emily die Augen zusammen. Was sollte sie tun? Es gab niemanden, der sie retten konnte. Sie wurde müder und müder. Zuerst versuchte sie noch, sich gegen das Irrlicht zu wehren. Allmählich aber breitete sich eine wunderbare Zufriedenheit in ihr aus. Der Schmerz in ihrem Knie verblasste, ihr Körper wurde leicht und frei, und Emily wollte nichts anderes mehr, als diesem Irrlicht zu folgen.
    Sie schlug die Augen auf.
    Das Irrlicht war wunderschön. Hinter seinem goldenen Leuchten erahnte Emily die Konturen eines menschlichen Gesichtes – des lächelnden Gesichtes einer Frau mit liebevollen Augen. Ihr langes, helles Haar umgab das Gesicht wie ein Strahlenkranz.
    Das Irrlicht führte sie zwischen die Ruinen. Zuerst nahm Emily noch alles wahr: Die Bruchstücke der alten Häuser, die Bäume und Sträucher, das Schreien eines Käuzchens, und irgendwo in ihrem Kopf war der Gedanke an den entführten Linus… dann sah sie etwas, das sie verwirrte, sie versuchte, genauer hinzusehen, aber das Irrlicht versperrte ihr die Sicht und lockte sie weiter… und dann wusste sie von nichts mehr.
    Als sie wieder zu sich kam, schaute sie in Emmas Gesicht.
    „Sie ist erwacht“, flüsterte Emma und beugte sich über Emily. „Geht es dir gut?“
    Emily rieb sich die Augen, dann setzte sie sich auf. Sie fühlte sich so erschöpft, als hätte sie seit Tagen nicht mehr geschlafen. Erleichtert bemerkte sie, dass sie sich auf dem Bahnhof im Moor befand und dass alle noch da waren: Emma, Miki und Finn standen im Kreis um sie herum und schauten auf sie herunter.
    „Ja, ich glaube schon“, sagte Emily und gähnte. Dann entdeckte sie Mr. Shaddock und erstarrte. Er sah nicht gleichgültig aus wie sonst immer, sondern war offensichtlich ziemlich wütend. Sogar sein Zylinderhut und sein Gehstock schienen vor Wut zu beben. Ungeduldig schob er die Kinder zur Seite und schaute mit verschränkten Armen auf Emily herunter.
    „Es reicht dir also nicht, dass ein Kind entführt wurde? Du möchtest dich unbedingt anschließen?“, fuhr er sie an.
    „Ähm… nein… ich wollte nicht…“, stotterte Emily. Sie war so müde, dass sie gar nicht klar denken konnte. Was machte Shaddock überhaupt hier?
    „Nein? Und was tust du dann im Moor? Nachts? Allein? “
    Emily warf Finn einen Blick zu und schwieg. Und Finn war so anständig zu sagen:
    „Das war meine Idee, Mr. Shaddock. Ich wollte… na ja, nicht so wichtig.“
    Shaddock musterte ihn eisig, dann wendete er sich wieder Emily zu.
    „Du kannst von Glück reden, dass dieses Irrlicht sich an seine tatsächliche Aufgabe erinnert hat und dich hierher führte. Du könntest jetzt gerade so gut in einem Wasserloch liegen! Und ihr alle auch!“
    Emma und Miki sahen ziemlich schuldbewusst aus. Finn biss die Zähne zusammen.
    „Ihr fahrt nach Arcanastra zurück“, befahl Shaddock wütend. „Der Hauptmann der Wächter wird dort auf euch warten und euch nach Hause bringen. Und solltet ihr jemals wieder auf die Idee kommen, nachts durchs

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