Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)
einmal direkt zu unserem Wagen gekommen und ewig lange nicht mehr verschwunden.“
Ein leuchtendes Abendrot überzog den Himmel. Serafino begleitete Emily noch bis zum Rand der Stadt, dann verabschiedete er sich von ihr.
„Bis bald“, rief er ihr nach, bevor er sich umdrehte und in den Gassen entschwand.
„Bis bald“, murmelte Emily.
Einige Tage später trafen sich Emily, Emma, Miki und Finn in der Bibliothek. Sie lasen eine Weile in den Büchern. Bis Emma vorschlug:
„Wollen wir nicht ein bisschen durch Arcanastra bummeln und frische Luft schnappen?“
Emily und Miki nickten. Nur Finn sagte:
„Geht ohne mich. Ich muss noch was erledigen.“
„Ach ja?“, fragte Emma neugierig. „Was denn?“
„Ach… nichts, was euch interessieren würde“, antwortete Finn ausweichend und stellte sein Buch ins Regal zurück. „Also dann, wir sehen uns.“
Und damit stieg er in einen Paternoster und fuhr nach unten. Nachdenklich schaute Miki ihm nach.
„Irgendwas hat er vor“, sagte er. „Dauernd verschwindet er. In unserem Zimmer sehe ich ihn nur noch zum Schlafen.“
„Soll er doch machen, was er will“, meinte Emma und zuckte die Schultern. „Wir könnten bei Mr. Peebles Panoptikum vorbeischauen, vielleicht gibt es heute wieder eine Vorstellung.“
Diese Idee gefiel Emily sehr gut. Noch immer dachte sie oft an ihren letzten Besuch dort zurück.
„Hier geht’s durch, das ist eine Abkürzung“, sagte Emma nach der Hälfte des Weges und bog in eine enge Gasse ein. Sie kamen an vollgestopften Schaufenstern mit unheimlichen Masken und seltsamen Tieren vorbei. Eines davon sah aus wie eine Mischung aus einer Tarantel und einem Fisch mit messerscharfen Zähnen. Hastig stolperte Emily weiter. Emmas berühmte Abkürzungen jagten ihr immer wieder Schauer über den Rücken.
Leider hing im Schaukasten vor dem Panoptikum diesmal kein Zettel.
„Schade“, murmelte Emma enttäuscht.
„Und was machen wir jetzt?“, fragte Emily. Emma und Miki zuckten die Schultern.
„Oh nein, da vorne kommt Leo“, zischte Emma auf einmal. Sie huschte in den schmalen Durchgang zwischen zwei Häusern hinein. Emily und Miki seufzten, doch sie folgten ihrer Freundin.
„Warum versteckst du dich vor ihm?“, flüsterte Emily.
„Weil er mich garantiert in die Bibliothek schleppt, wenn er mich sieht. Er führt sich schlimmer auf als mein Vater. Findet, ich sollte die ganze Zeit lesen und arbeiten“, erklärte Emma und verzog das Gesicht. Dann spähte sie um die Ecke.
Leo war nicht allein unterwegs. Ein blasser Junge und ein Mädchen mit leuchtend roten Haaren begleiteten ihn. Genau vor dem Durchgang, in dem die Kinder sich versteckt hatten, blieben sie stehen. Emma hielt die Luft an und drückte sich eng an die Mauer.
„Also“, sagte die Rothaarige. Dann schaute sie sich um und senkte die Stimme. „Wie war das letzte Nacht mit dem Geist? Ihr habt ihn wirklich gesehen?“
Emily stieß Miki an und lauschte angestrengt, um kein Wort zu verpassen.
„Haben wir“, nickte Leo. „Ich war abends in den Katakomben …“
„Bestimmt nicht allein“, zog die Rothaarige ihn auf. Leo lief zartrosa an und knurrte:
„Wollt ihr die Geschichte hören oder nicht?“
„Klar wollen wir“, sagte der blasse Junge und warf der Rothaarigen einen wütenden Blick zu.
„Wir waren… ich meine, ich war in dem Gewölbe in der Nähe des Bestiariums. Auf einmal huschte jemand durch einen der Gänge dort“, erzählte Leo weiter. „Natürlich dachte ich mir nichts dabei, ich nahm an, dass es ein anderer Hüter war…“
Er unterbrach seine Erzählung, weil einige Erwachsene vorübergingen.
„Wie gesagt, ich dachte mir nichts dabei“, wiederholte er. „Aber einige Minuten später tauchte meine Schwester Hannah in dem Gewölbe auf und schrie, der Geist sei in den Katakomben, sie hätte ihn gerade gesehen.“
„Davon hat sie mir kein Wort erzählt“, schimpfte Emma leise.
„Pssst!“, machten Emily und Miki gleichzeitig.
„Wir haben natürlich gleich die Wächter geholt“, fuhr Leo fort. „Sie haben die Katakomben und ganz Arcanastra durchsucht, aber nichts gefunden.“
„Und jetzt?“, fragte der blasse Junge.
Leo zuckte die Schultern. „Was können sie schon tun?“
„Haben sie eigentlich noch immer nicht rausgefunden, wer dieser Geist überhaupt ist?“, wollte die Rothaarige wissen.
Leo schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht.“
„Und Linus haben sie auch noch nicht gefunden“, sagte der Junge. „Ich weiß
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