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Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)

Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)

Titel: Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Richner
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nahm von Emma die Fackel entgegen. Ihre Freunde nickten ihr aufmunternd zu, bevor sie durch den Korridor zurück gingen. Bald mussten sie wie alle Bewohner von Arcanastra auf dem Dach der Bibliothek sein, um aus sicherer Entfernung bei der Prüfung zuzuschauen. Seufzend schaute Emily sich um und setzte sich auf eine umgedrehte Holzkiste. Die nächsten Stunden würden ziemlich langweilig werden.
    Als es endlich zwölf Uhr war, stand sie auf. Sie trat vor das Eingangsloch und atmete tief ein. Dann betrat sie die Katakomben. In der Hand hielt sie die Fackel, um den Weg zu erhellen.
    Die Gänge waren roh aus dem Fels gehauen. Manche waren so niedrig, dass Emily sich den Kopf an der Decke stieß. Die Wände glänzten an vielen Stellen vor Feuchtigkeit. Rinnsale tröpfelten über das Gestein, die Luft roch abgestanden und modrig. Hastig ging Emily durch die Katakomben. Sie war sehr froh um die Fackel, die ihren zitternden Schatten auf den Fels warf. Konzentriert zählte Emily die Abzweigungen. Einmal kam sie an einem größeren Raum vorbei, der sehr gemütlich eingerichtet war. Von der Decke baumelten Leuchter mit Kerzen, es gab Sofas, kleine Tischchen und Wandbehänge. Bestimmt war dies das Gewölbe, von dem aus Leo den Geist gesehen hatte, überlegte Emily.
    Ein klagendes Seufzen drang an ihre Ohren. Erschrocken blieb Emily stehen und lauschte. Eine Weile war es still, dann hörte sie die Klagelaute erneut, diesmal aus einer anderen Richtung. Sie überlegte angestrengt. In einem der Bücher hatte sie einmal über dieses Seufzen gelesen… aber was war das genau gewesen… sie hatte sich danach sogar mit Sophia darüber unterhalten…
    Endlich fiel es wieder ein. Niemand wusste, was die Quelle der Klagelaute war, die man häufig in Labyrinthen und Katakomben hören konnte. Das hatte einen sehr einfachen Grund: Keiner, der nahe genug gekommen war, um es herauszufinden, war je wieder aufgetaucht. In ihrer Vorstellung sah Emily furchterregende Wesen vor sich, die gleich hinter der nächsten Ecke lauerten, in der Dunkelheit und Verlassenheit der Katakomben…
    Glücklicherweise hatte in dem Buch gestanden, wie man sich verhalten sollte, erinnerte Emily sich. Mit einem Stein, den sie auf dem Boden fand, klopfte sie den immer gleichen Rhythmus gegen die Wände, während sie weiterging.
    Tock tock – tock – tock – tock tock – tock – tock – tock tock…
    Ihren eigenen Herzschlag hörte sie allerdings noch lauter, denn mittlerweile war die Angst in ihr hochgekrochen wie eine böse Schlange. Was, wenn es nicht klappte?
    Durch das Tock – tock lauschte Emily angestrengt. Einige Schritte später war sie sich sicher, dass die Klagelaute tatsächlich leiser wurden. Bald waren sie nur noch aus weiter Ferne zu hören, und irgendwann verstummten sie ganz. Erleichtert ließ sie den Stein fallen und ging weiter.
    Während sie die Abzweigungen zählte, fiel ihr ein, was Sophia ihr damals gesagt hatte: Es gab Hüter, welche das Wissen aus den verborgenen Büchern zu ihrem eigenen Vorteil missbrauchten. Einer zum Beispiel hatte gewöhnliche Steine mit Mustern bemalt und sie den Menschen für teures Geld als Amulette verkauft. Wenn sie mit diesen Steinen das Tock tock – tock – tock klopften, könnten sie damit die Klagelaute vertreiben, hatte er ihnen gesagt. Dass es auch mit jedem gewöhnlichen Kiesel klappte, hatten die Menschen erst nach Jahren herausgefunden. Bis dahin hatte der Hüter mit seinen bemalten Steinen bereits ein Vermögen verdient.
    Rasch ging Emily weiter. Als sie auf der linken Seite eines Ganges eine hölzerne Tür entdeckte, atmete sie auf. Wie es schien, hatte sie sich nicht verirrt. Vorsichtig schob sie die Tür auf und erblickte einen Hinterhof voller Gerümpel. Emily ging über den Hof, fand einen Durchgang in der Mauer und trat auf die Straße. Es war gespenstisch still in Arcanastra. Kein Mensch war zu sehen, kein Geräusch zu hören. Nur der kalte Wind pfiff durch die leeren Gassen. Unbehaglich zog Emily den Mantel fester um sich und schaute sich um. Julies Werkstatt musste gleich um die Ecke sein.
    Es dauerte nur einige Augenblicke, bis Emily sie gefunden hatte. Das Fenster auf der Seite stand tatsächlich offen, wie Emma versprochen hatte. Rasch kletterte Emily hindurch. Etwas ratlos schaute sie sich in der vollgestopften Werkstatt um. Wie sollte sie unter all den Mechaniken die richtige finden? Suchend ging sie von einem Raum in den nächsten. Die Geräte surrten, kreiselten, blinkten und ratterten

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