Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)

Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)

Titel: Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Richner
Vom Netzwerk:
Tasche. Das alles legte er vor Crispin hin.
    „Schreib deinen Namen auf dieses Papier. Vertrau mir.“
    Crispin zögerte nicht mehr. Seine Entscheidung war getroffen, und er würde alles tun, was notwendig war, um ein neues Leben zu beginnen. Also schraubte er das Tintenfässchen auf, tauchte die Feder hinein und schrieb Crispin auf das Papier.
    „Crispin Caligo“, sagte der Mann. Verständnislos schaute Crispin ihn an.
    „Das ist dein vollständiger Name“, erklärte er. „Schreib ihn auf.“
    Crispin gehorchte. Es war das erste Mal, dass er diesen Namen hörte… woher kannte der Mann ihn?
    Sorgfältig faltete der Grünäugige das Papier zusammen und steckte es mit dem Tintenfässchen und der Feder in seine Tasche zurück. Dann stand er auf und schaute auf Crispin hinunter.
    „Du wirst es erfahren, wenn die Zeit zum Aufbrechen gekommen ist. Und noch etwas: Dein anderes Vorhaben solltest du aufgeben. Folge mir nicht. Ich würde dich nicht zu deinen Eltern führen.“
    Damit nickte er Ambra und Ignazio zu, die bei Demetrio standen und zu ihnen hersahen, drehte sich um und ging davon. Bald war er hinter dem nächsten Hügel verschwunden.
    Wer war er?, dachte Crispin. Woher wusste er seinen Namen, und wieso hatte er seinen Plan gekannt, ihm zu folgen und so nach seinen Eltern zu suchen?
    Als er den Blick endlich von der Straße abwand, schaute er in die Gesichter von Ambra, Demetrio und Ignazio.
    „Was wollte er von dir?“, fragte Ambra. „Was hat er dich aufschreiben lassen?“
    Und Crispin schwieg. Er wusste, dass sich ihre Wege durch seine Entscheidung trennen würden. Die Gaukler würden weiterleben wie bisher. Sie würden mit ihrem Wagen und den zwei Pferden von einer Stadt zur nächsten ziehen, um ihre Kunststücke aufzuführen, Jahr für Jahr. Doch er würde sie verlassen, und bald würde die Erinnerung an Ambra, Demetrio und Ignazio verblassen, als wären sie Figuren aus einer erfundenen Geschichte, als hätte Crispin niemals etwas mit ihnen zu tun gehabt.
    In der Nacht, als er schlaflos inmitten seiner Familie im Wagen lag, schluchzte er.

Ratlosigkeit
    Von der Nacht an, in der auch Finn in die Hände des Geistes gefallen war, glich Arcanastra einer bewachten Festung. Am Bahnhof und am Luftschiffhafen wurden Wächter postiert, die jeden überprüften, der in die Stadt kam. Auch in den Katakomben patrouillierten sie, doch das unterirdische Labyrinth war einfach zu weitläufig und verwinkelt, um es ganz zu kontrollieren. Regelmäßig durchstreiften die Wächter das Moor und die nähere Umgebung, um die entführten Jungen zu finden. Emily, Emma und Miki erkundigten sich jeden Tag etwa ein Dutzend Mal bei Ilja, ob sie schon eine Spur von Finn entdeckt hatten, und jedes Mal schüttelte der Hauptmann der Wächter betrübt den Kopf. Trotzdem gab er nicht auf. Er unternahm sogar noch zusätzliche Streifzüge durch das Moor, bis Juno es ihm verbot, weil es einfach zu gefährlich war.
    Obwohl Ilja das Panoptikum nicht erwähnte, wussten die Kinder, dass er sofort einen Zettel mit Finns Namen in die Mechanik eingespannt hatte.
    „Wahrscheinlich hat er aber auch nur den selben Raum gesehen wie du“, vermutete Emma, und Emily nickte. Sonst wären die beiden Jungen längst befreit worden.
    Emily konnte kaum noch schlafen. Sie wälzte sich hin und her und dachte an Finn. Die schlimmsten Vorstellungen geisterten durch ihren Kopf. Vielleicht, überlegte sie manchmal verzweifelt, würde sie Finn niemals wiedersehen. Und wenn sie dann endlich in einen unruhigen Dämmerschlaf fiel, quälte sie die Flüsterstimme des Orakels in ihren Träumen. So oft wie möglich schlich sie sich in den Raum mit der Drachentür und von dort zum Panoptikum. Immer wieder schrieb sie Finns Namen auf ein Blatt Papier, und jedes Mal zeigten die aufsteigenden Buchstaben denselben düsteren Raum. Wenigstens wusste sie dann, dass Finn noch am Leben war.
    Hannah war unausstehlich. Sie fauchte jeden an, der es wagte, sie etwas zu fragen, und sie bestürmte Ilja so lange, bis er auch sie für die Wachen einteilte, obwohl sie noch so jung und erst gerade bei den Wächtern aufgenommen worden war. Ihre Laune war so fürchterlich, dass Emma manchmal bei Emily übernachtete. Und mitten in der ganzen Aufregung kam Großtante Sophia zurück. Emily war sehr erleichtert darüber. Sie brauchte dringend jemanden, der sie etwas tröstete.
    „Wie war es in Sieben-Drachen-Stadt?“, fragte Emily, als sie bei Kakao und Lakritzkuchen im Wohnzimmer

Weitere Kostenlose Bücher