Hüter des Todes (German Edition)
behutsam auf den Draht, um das Auskühlen zu beschleunigen. Er würde die Tests durchführen, sobald er wieder unten im Kommunikationsraum war, keine Frage, doch er war zu einhundert Prozent sicher, die Fehlerquelle gefunden und behoben zu haben. Selbstverständlich würde er sich beim Abendessen groß und breit über die Schwierigkeiten auslassen, um Fontaine zu beeindrucken. Wenn die Grabung erfolgreich verlief, würde es Boni geben, fette Boni, und Fontaine würde ein Wort mitzureden haben bei der Größe von Perlmutters Bonus.
Er schob das Gehäuse zurück auf die Apparatur, dann wandte er sich um und blickte erneut hinaus auf die Sumpflandschaft, während er darauf wartete, dass die Lötpistole abkühlte. Das Propellerboot war nicht mehr zu sehen, und der Sudd breitete sich in alle Richtungen aus, schwarz und endlos. Der Himmel sah aus, als würde es jeden Moment wieder anfangen zu regnen. Die Lichter der Station unter ihm, unregelmäßig verteilt auf alle sechs Sektionen, glitzerten und funkelten hell. Von seinem Aussichtspunkt aus konnte er die langen Lichterketten sehen, die den Vorhang der Marina markierten, den schwachen Lichtschein aus den Fenstern der Oasis-Bar und die endlosen Reihen kleiner weißer Lichter, die den Verlauf der äußeren Laufstege auf den Pontons markierten, die die Sektionen miteinander verbanden. Es war ein schöner Anblick, doch Perlmutter beschlich trotzdem ein unbehagliches Gefühl. Die kleine Stadt aus Lichtern betonte nur die endlosen Kilometer aus dunkler Wildnis, die sie auf allen Seiten umgab, unterstrich lediglich die Tatsache, dass sie Hunderte von nahezu unpassierbaren Kilometern entfernt waren von jeder Hilfe oder auch nur einer Spur menschlicher Zivilisation. Im Innern der Station – in der Wohnsektion oder bei der Arbeit in der Kommunikationszentrale oder wenn er seine Freizeit in der Bücherei oder dem Gesellschaftsraum verbrachte – war es beinahe möglich zu vergessen, in welcher Einöde sie sich befanden. Aber hier draußen, hier oben im Krähennest …
Trotz der tropischen Wärme des Abends erschauerte er. Wenn die Grabung erfolgreich verlief … Das Gerede über den Fluch des Pharaos Narmer war in den letzten Tagen lauter geworden. Zuerst – als das Projekt seinen Lauf genommen und sich in der Mannschaft nach und nach herumgesprochen hatte, wonach sie eigentlich suchten – war der Fluch ein Running Gag gewesen, etwas, über das sie bei einem oder mehreren Bieren gelacht hatten. Doch je mehr Zeit vergangen war, desto ernster waren die Unterhaltungen geworden. Selbst Perlmutter, der überzeugteste Atheist, den man sich nur vorstellen konnte, war die Geschichte nach und nach unheimlich geworden, erst recht nach dem, was mit Rogers passiert war.
Perlmutter sah sich erneut um. Die Finsternis schien von allen Seiten auf ihn einzuwirken, ihn zu erdrücken. Sie lastete auf seiner Brust, machte ihm das Atmen schwer …
Das war genug. Perlmutter packte die noch warme Lötpistole und die anderen Utensilien, warf sie in die Tasche und verschloss sie. Er kniete im Krähennest nieder, öffnete den halbkreisförmigen Reißverschluss in der schützenden Plane und schlüpfte hindurch. Unter ihm gab es eine vertikale Röhre, in welcher der Mast verschwand wie ein Pfeifenreiniger in einer Pfeife, in unregelmäßigen Abständen erhellt durch kleine LEDs. Er hängte sich die Tasche über eine Schulter, packte die Rungen und stieg durch die Plane, hielt kurz an, um sie hinter sich wieder zu schließen, und setzte seinen Weg nach unten fort. Er kletterte vorsichtig, denn bis zum Boden waren es gut zehn Meter, und er wollte nicht abstürzen und sich die Knochen brechen.
Unten angekommen, atmete er tief durch und wischte sich die verschwitzten Hände an seinem Hemd ab. Als Nächstes würde er die Funkanlage überprüfen und sicherstellen, dass alle kleinen Kobolde exorziert waren. Anschließend würde er nach Fontaine suchen, der sich wahrscheinlich wieder mal ein frühes Abendessen genehmigte.
Doch als er gerade die Mastumhüllung verlassen wollte, stockte er. Es gab zwei Luken, die nach draußen führten. Eine führte zu dem Korridor, von dem die Labors und die Kommunikationszentrale abzweigten. Die andere führte zur Energieverteilstation von Sektion Rot. Fünfzehn Minuten zuvor, als Perlmutter die Mastumhüllung betreten hatte, war die Luke zur Energieverteilstation noch verschlossen gewesen.
Jetzt stand sie offen.
Er machte einen zögernden Schritt nach vorn. Normalerweise
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