Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)
Schwester; Regenwürmer lockerten das Erdreich, verrichteten ihre Arbeit im Komposthaufen und gediehen dort, hießen den Regen willkommen, antworteten dem Geist und verbanden die Elemente miteinander. Die Erde ließ das Wasser tief in den Boden sickern und dort breitete es sich in Adern aus, die unter dem Lehm verliefen und lebensspendende Flüssigkeit zu jeder Pflanze trugen. Er fühlte, wie das letzte Element, das Feuer, sich den anderen anschloss, nicht in Form von Feuer, sondern als eine leuchtende Flamme, die den gemeinsamen Traum von einer erfolgreichen Farm vorantrieb.
Der Regen fiel schwer in die Wälder, zart auf die Gemüsefelder und noch behutsamer auf die Blumen. Durch all das trug der Wind die Klänge einer Symphonie, während er sich durch die Bäume und Gärten bewegte, und das Luftelement die hellen Töne einer Flöte spielte. Die Trommel des Feuerelements legte für alle anderen den Rhythmus fest. Die Erde trug die wohlklingenden Klaviertöne bei und Judiths Geist verband alles miteinander.
Stefans Herz fiel in den Rhythmus ein. Wenn er versuchen würde, jemandem von diesem einmaligen Phänomen zu berichten, würde ihm kein Mensch glauben. Es war so schön und belebend wie kein anderes Schauspiel, das er jemals beobachtet – nein, erlebt hatte. Er war mitten drin, von Judiths mächtigem Geist angezogen. Stefan erkannte, dass ihr gemeinsamer Traum sich nicht nur darum drehte, die Elemente zu nutzen, damit ihre Farm gedieh, sondern vor allem darum, dass sich alle fünf Elemente eng miteinander verbanden, sich gegenseitig unterstützten, einander Mut machten und sich in ihrem Engagement bestärkten.
Während er still dasaß und die Energien in sich aufsog, fühlte er die sehr subtilen Klänge eines Mannes, die mit dem Wasserelement verwoben waren, und er wusste, dass sein Bruder auf irgendeine Weise eins mit seiner Frau geworden war, während sie das Wasser aus den Wolken zog. Es war aber auch noch eine weitere weibliche Präsenz vorhanden, eine, die ihm fast entgangen wäre. Die sechste Schwester besaß eigenständige Kräfte, die sich jedoch subtil von den anderen unterschieden. Sie war kein Element und doch schien sie ein Teil von jeder von ihnen zu sein. Lev hatte gesagt, sie sei schwer zu verstehen, und jetzt sah Stefan, woran das lag. Ihre Berührung ließ den Wind wie eine Geige stöhnen und durch die Bäume tanzen, verspielt an Blättern ziehen und die leuchtend bunten Blumen küssen.
Um ihn herum reagierte die gesamte Natur auf die aufwogende Kraft und badete in den stampfenden Rhythmen. Eulen flogen in den Regentropfen und kreisten über den Baumwipfeln, während aus dem Wald Füchse und Rotwild auftauchten, als würden sie angelockt, um teilzunehmen. Erst in dem Moment wurde Stefan klar, dass er die kraftvollen Energien in seinen eigenen Körper aufsog. Jedes Gefühl verstärkte und vervielfältigte sich. Er konnte fühlen, wie Kraft durch seine Muskeln strömte, während die Energien sich so in ihn ergossen wie der Regen über die Farm. Schnell. Langsam. Leicht. Schwer. Er nahm sämtliche Elemente in sich auf und fühlte, wie sich jede der Energien mit seinen eigenen übersinnlichen Gaben vermischte.
Stefan ließ jeden Muskel spielen, ehe er sich behutsam einen Weg durch die Blumengärten bahnte, wobei er sorgsam darauf achtete, auf dem schmalen Pfad zu bleiben, damit sein Vorübergehen keine Spuren hinterließ. Er konnte es sich nicht leisten, allzu nass zu werden, nicht wenn er Judiths Haus betreten würde. Er wollte nicht, dass sie nasse Spuren auf ihrem cremefarbenen Teppich fand. Er schlich um das Haus herum zur Rückseite, wo die eher naturbelassenen Gärten mit ihrem Wildwuchs im Regen wie ein kleiner Urwald wirkten.
Das gesamte untere Stockwerk lag im Dunkeln. Die hohen buschigen Pflanzen, deren Laub sich nach allen Seiten ausbreitete, erschwerten ihm das Ausweichen. Er schlüpfte zwischen ihnen durch und achtete darauf, sie nicht zu streifen. Blätter oder Gras auf ihrem Teppich zurückzulassen wäre genauso schlimm wie nasse Fußabdrücke. Er ließ das erste und das zweite Studio links liegen und schlich diagonal durch die wuchernden Pflanzen, um die dunklen Glastüren des dritten Studios zu erreichen.
Schwere Vorhänge waren vor den Türen zugezogen, ein gewaltiger Kontrast zu den beiden anderen, viel einladenderen Studios. Mit größter Behutsamkeit brachte er seine Handfläche bis auf zwei Zentimeter an die Glasscheibe heran, um den Raum zu ertasten. Sein inneres
Weitere Kostenlose Bücher