Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)
lassen. Lev mochte ihn zwar als seinen Bruder akzeptiert haben, aber er dehnte dieses Vertrauen nicht auf die Frauen aus.
Lev musterte lange Zeit seinen Gesichtsausdruck, ehe er wieder nickte. »Ich sage das nur einmal, Stefan, und ich hoffe, du verstehst mich. Ich täte alles, um für Rikkis Sicherheit und die ihrer Schwestern zu sorgen. Absolut alles, also missbrauche mein Vertrauen nicht.«
Oh ja. Sein kleiner Bruder war erwachsen geworden.
11.
J udith schlief noch nicht. Stefan konnte sie in dem Zimmer umherlaufen sehen, von dem er jetzt wusste, dass es ihr Schlafzimmer war; sie lief vor der breiten Fensterreihe mit Blick auf ihre Siebensterne im Garten auf und ab. Das Licht, das von hinten kam, machte es einfach, sie durch die gardinenlosen Fensterscheiben zu sehen. Hinter den Toren der Farm wähnten sich die Frauen in Sicherheit vor ungebetenem Besuch, aber er war da, in sich zusammengekauert und wieder einmal in den Schatten, ein Phantom, das zum Leben erwacht war.
Dass er wütend auf seinen Bruder gewesen war, überraschte ihn nicht mehr. Ihm wurde klar, dass Judith nicht nur seine Gefühle nach so vielen langen Jahren der Unterdrückung an die Oberfläche sprudeln ließ, sondern dass inmitten ihrer Gärten und so nah an ihrem Haus jedes Gefühl verstärkt wurde. Judith versuchte zwar, ihren Geist zu bändigen, doch das Element war zu stark und die Energien pulsierten um ihr Haus herum und breiteten sich wie warmer Honig durch ihre riesigen Gärten aus. Er verspürte einen unbändigen Drang, zu Judiths Balkon hinaufzuklettern und dafür zu sorgen, dass sie zu müde war, um irgendetwas anderes zu tun, als eng an ihn geschmiegt in seinen Armen zu schlafen.
Die Brise, die vom Meer kam, brachte eine Andeutung von Regen mit sich, gemeinsam mit den ersten Nebelfäden, die landeinwärts zogen. Weiche Wolken trieben über den Himmel und verdeckten langsam den Mond und die Sterne, als zögen sie einen dichten Schleier vor die Nacht. Unter seinen Füßen pulsierte die Erde. Stefan fühlte es, diesen Ausbruch von Energie und von Freude, als berste der Boden vor Aufregung, und dann schien sich daraus ein stetiger pochender Rhythmus herauszubilden. So etwas hatte er noch nie gefühlt. Er grub seine Finger in den fruchtbaren Boden, um sein Verständnis für das, was hier geschah, zu vertiefen.
Die Luft um ihn herum geriet kaum wahrnehmbar in Bewegung und die Brise drehte sich leicht, doch das genügte, um die Wolken über den riesigen Gemüsefeldern und den weitläufigen Blumengärten in Position zu bringen. Auch die Luft pulsierte jetzt vor Kraft, ein einzigartiger Strom von Energien, der ihm sagte, dass diese Brise gesteuert worden war. Er beobachtete Judith, als sie auf den Balkon trat, am Geländer stehen blieb und über die Farm hinausblickte, als hätte eine unsichtbare Hand sie angelockt.
Sie hob ihr Gesicht zu den Wolken am Himmel, rührte sich aber nicht, sondern wartete offenbar auf etwas. Der Wind zog an ihrem langen Haar und presste ihr dünnes Tanktop so eng an ihre Brüste, dass sich der Stoff liebevoll an ihre weichen Rundungen schmiegte. Ihr flatternder Rock bewegte sich anmutig um ihre langen Beine herum und verlieh ihr einen geheimnisvollen Nimbus, der äußerst feminin war und ihm den Atem verschlug.
Der Regen begann behutsam auf die Blumengärten zu fallen und sie sanft, fast schon zärtlich, zu berühren. Es dauerte einen Moment, bis er die Musik in den Tropfen hörte, wie eine leise Symphonie, die langsam zu einem Crescendo anschwoll. Der Regen wurde nicht von Judith dirigiert, sondern von einer der anderen Frauen, aber sie verstärkte eindeutig die Kraft dieses Elements und hielt ihre Hände anmutig mit den Handflächen nach oben, während sie auf die Farm hinausblickte.
Der Atem stockte in Stefans Kehle. Er wurde gerade Zeuge der vereinten Kraft von Elementen, die hier am Werk waren. Die Wirkung war schockierend, faszinierend und ehrfurchtgebietend zugleich. Er war an paranormale Vorkommnisse gewöhnt; sämtliche Mitglieder seiner Familie besaßen von Natur aus spezielle Gaben. Aber das hier … das war eine Demonstration des Einsatzes von Elementen im Alltagsleben zu praktischen Zwecken.
Rikki, die Frau seines Bruders, war ein Wasserelement, und Stefan war sicher, dass sie diejenige war, die den Regen über bestimmte Teile der Farm lenkte. Eine von Judiths Schwestern war zweifellos ein Luftelement und dirigierte mit zarter Hand meisterlich den Wind. Die Erde reagierte auf eine weitere
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