Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)
will er von dir, Judith?«, fragte Blythe. »Er muss doch wissen, dass du ihn verabscheust. Er kann sich nicht einbilden, du würdest jemals wieder mit ihm zusammen sein wollen, das entbehrt jeder Logik. Er hat deinen Bruder ermorden lassen und er weiß, dass dir durchaus bewusst ist, dass er es war, stimmt’s?«
Judith nickte und biss sich fest auf die Unterlippe. »Ich habe keine Ahnung, was er will.«
»Hast du gegen ihn ausgesagt?«, fragte Lissa.
Judith schüttelte den Kopf. »Er ist nie wegen Mordes angeklagt worden. Wie hätte ich beweisen können, dass er die Folter und die Ermordung meines Bruders angeordnet hat? Wir waren in Griechenland. Er war in Frankreich. Ich habe mitbekommen, dass ein Mann in seinem Haus gefoltert wurde, aber ich habe den Mann nicht gesehen, nur das Blut überall. Da die Leiche verschwunden ist – und daran besteht kein Zweifel, weil ich kein Wort darüber gelesen habe, dass eine Leiche gefunden wurde –, was hätte ich dann beweisen können? Ich war untergetaucht, als er wegen Waffenschmuggels verurteilt worden ist, und ich hatte nichts mit seiner Verurteilung zu tun.«
»Und was ist es dann, wenn es nicht darum geht, dir etwas heimzuzahlen?«, fragte Lissa beharrlich weiter. »Was bleibt noch übrig? Warum hat er diese Männer überhaupt erst hinter dir hergeschickt? Wusste er, dass du gesehen hast, wie der Mann in seinem Haus getötet wurde?«
Judith zog die Stirn in Falten. »Ich glaube nicht, dass er es weiß. Ich habe keinen Laut von mir gegeben und ich wüsste nicht, wie er es gewusst haben könnte, es sei denn, er hatte Kameras, was durchaus möglich ist.«
»Aber wenn er wusste, wo sie war, warum hat er sie dann nicht einfach töten lassen?«, fragte Lexi.
Blythe nickte. »Das ist eine gute Frage. Wenn er befürchtet hätte, du könntest ihm einen Mord anhängen, dann hätte er dich töten lassen. Du kanntest ihn besser als jeder andere, Judith. Was meinst du? Könnte er auf den abartigen Gedanken gekommen sein, du würdest ihn nehmen, wenn er zurückkäme?«
Judith versuchte die letzten fünf Jahre des Schuldbewusstseins und der Scham von den Jahren als Kunststudentin zu trennen, als sie Jean-Claude erstmals begegnet war und sich von seinem Charme hatte hinreißen lassen. Er war so kultiviert gewesen. So elegant. Im Umgang mit ihm war sie unbeholfen und schüchtern gewesen und viel zu unschuldig, um sich jemals vorzustellen, was für ein Monster er gewesen war. Sie hatte keine Ahnung gehabt, dass es Männer wie Jean-Claude überhaupt gab. Sie war so vollständig in ihre Welt der Kunst eingetaucht, dass sie in der Welt um sich herum nur Farben und Schönheit sah. Sie war in Paris gewesen, hatte sich in den Museen herumgetrieben, in den kleinen Straßencafés gegessen und studiert und währenddessen die Atmosphäre von Frankreich in sich eingesogen. Sie hatte diese ganze Erfahrung geliebt und Jean-Claude war ein so großer Teil davon gewesen.
Er sah gut aus und war gut gebaut und so französisch mit seinen Komplimenten und seinem Akzent und seinen eleganten Manieren. Wer hätte da auf den Gedanken kommen können, dass er ein Verbrecher war? Er kannte Polizisten, Politiker, Filmstars. Das Leben an seiner Seite war glanzvoll. Sie hatte nie in ihrem Leben jemanden getroffen, der so war wie Jean-Claude, und sie hatte ihn mit leuchtenden Augen und verklärtem Blick angesehen. Er war ein Teil ihrer Erfahrung in Frankreich, ein vornehmer Mann mit makellosen Manieren, der ihr die Wagentür aufhielt, sich tief über ihrer Hand verbeugte und sie an Orte mitnahm, von denen sie sich nicht erträumt hätte, sie jemals zu sehen. Er hatte ihr das Gefühl gegeben, eine Prinzessin zu sein.
Konnten diese Blicke, mit denen er sie angesehen hatte, geheuchelt gewesen sein – lange, intensive Blicke, mit denen er ihr direkt in die Augen sah, als er ihr seine Liebe erklärte? Er kaufte ihr einen erstaunlichen Ring, als sie einander erst zwei Wochen gekannt hatten. Sie hatte den Antrag abgelehnt und nachts in ihrem Zimmer geweint, aber etwas hatte ihr gesagt, sie solle sich etwas mehr vorsehen.
Es hatte jedoch überhaupt keine Rolle gespielt, dass sie seinen Heiratsantrag abgelehnt hatte, und dadurch hatte sie sich erst recht als etwas ganz Besonderes gefühlt – weil er ihr Zeit ließ, obwohl er jede Frau haben konnte, die er wollte. War das von seiner Seite aus alles echt gewesen? War es überhaupt möglich, dass ein Mann, der zu den grauenhaften Dingen fähig war, die er getan
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