Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)
hatte, tatsächlich Liebe für jemanden empfand?
Ein Gedanke traf sie mit voller Wucht. Sie sah Blythe betroffen an. »Könnte ich ihm durch nichts anderes als meine Gegenwart die Fähigkeit verliehen haben, wahre Liebe zu empfinden? Durch meine Liebe zu Frankreich? Durch meine Liebe zu dem, für den ich ihn gehalten habe?«
Lissa beugte sich vor und nahm Judiths Hände in ihre. »Du hast nichts falsch gemacht, Judith. Was ist dagegen einzuwenden, sich zu verlieben? Wenn Jean-Claude der Mann gewesen wäre, für den er sich ausgegeben hat, wäre dein Leben ganz anders verlaufen – und recht erstaunlich. Er war derjenige, der dich durch seine Verstellung getäuscht hat. Es ist nie falsch, jemanden zu lieben.«
»Ich muss meine Gefühle auf ihn übertragen haben und er hielt sie seinerseits für echt.«
Lissa schüttelte den Kopf. »Du bist total durcheinander, Kleines. Sieh dir doch nur mal Rikki und Levi an. Wenn die beiden zusammen sind, können wir alle fühlen, wie sehr sie einander lieben. Sie strahlen Liebe aus, selbst dann, wenn sie gerade einen ihrer lächerlichen Streits vom Zaun brechen. Ich habe die Absicht, uneingeschränkt zu lieben, wenn ich liebe. Eine andere Form von Liebe sollte es gar nicht geben. Du weißt nicht, ob das, was er für dich empfunden hat, echt war oder nicht. Vielleicht hatte er das Glück, sich zum ersten Mal in seinem Leben mit einem guten Menschen zu verstehen, und das hat ihn tief bewegt. Für das, was er empfunden oder nicht empfunden hat, kannst du nicht verantwortlich gemacht werden.«
Airiana nickte zustimmend. »Wir können nur über uns selbst bestimmen, nicht über andere, erinnerst du dich noch? Wir haben alle gelobt, so zu leben. Wir sind für unser eigenes Glück verantwortlich und wir treffen unsere eigene Wahl. Du darfst nicht zulassen, dass Jean-Claude über dich oder darüber bestimmt, wie du dein Leben gestalten willst; und du bist auch nicht verantwortlich dafür, ob er fähig ist zu lieben oder nicht.«
»Und genau das ist dein Problem, Judith. Außerdem fürchtest du dich vor deiner Gabe«, hob Blythe hervor. »Du findest Möglichkeiten, dir selbst die Schuld zu geben, und deshalb weigerst du dich die meiste Zeit zu akzeptieren, dass jeder im Einklang mit sich selbst sein muss. Niemand ist durch und durch gut. Niemand ist durch und durch schlecht. Du musst dir erlauben, du selbst zu sein.«
Judith wusste, dass sie alle recht hatten, aber trotzdem … Sie fuhr sich mit einer Hand durch ihr Haar. »Ich fühle mich im Einklang mit mir selbst, wenn ich mit Thomas zusammen bin. Nicht weil ich einen Mann brauche, um mich selbst klar zu sehen, das ist es nicht. Es liegt daran, dass er irgendwie mit intensiven Gefühlen umgehen kann, ob sie nun gut oder schlecht sind, und die Intensität scheint ihm nichts auszumachen oder sich wenigstens nicht nachteilig auf ihn auszuwirken. Wenn ich mit ihm zusammen bin, habe ich keine Angst, weder vor mir noch vor meiner Kraft.«
Sie presste ihren Daumen tief in die Mitte ihrer linken Handfläche. »Er bringt mich zum Lachen. Und ich fühle mich schön, wenn ich mit ihm zusammen bin, sogar ungeschminkt und in Jeans und T-Shirt. Ich kann nicht direkt behaupten, dass er gut aussieht, aber er ist ungeheuer männlich und unwiderstehlich. In meinen Augen ist er der schärfste Mann, dem ich jemals begegnet bin.«
Sie legte das Geständnis rasch ab und ihre Worte überschlugen sich. Sie hatte den Begriff Seelenverwandter nicht benutzt, aber als genau das empfand sie ihn. Sie wusste nicht, ob sie jemals wieder mit ihm reden würde, und sie wusste auch nicht, wie sie das deuten sollte, was sich zwischen ihm und Levi abgespielt hatte. Aber das machte ihre Worte nicht weniger wahr.
»Wow«, sagte Airiana im Namen aller. Sie war reichlich perplex.
Judith nickte. »Du sagst es. Als ich ihn das erste Mal gesehen habe, hat mir sein Anblick den Atem verschlagen. Er stand im Schatten und ich schwöre, dass die Erde gebebt hat, als wir einander in die Augen gesehen haben. Ich wusste es. Schon in dem Moment wusste ich, dass er es ist und dass er es von Anfang an hätte sein sollen.«
Sie rieb ihre Hände aneinander und presste ihren Daumen fester auf ihre Handfläche, eine Geste, die irgendwie beschwichtigend auf sie wirkte. »Ich weiß, dass das seltsam klingt, aber so war es nun mal. Ich war überhaupt nicht darauf vorbereitet. Ich war spät dran und in Eile, und dann habe ich aufgeblickt und es war, als sei er in meinen Geist eingedrungen
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