Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)
als er es ihr reichte.
Judith nickte. »Du bist ein vielschichtiger Mann und ich kann mir vorstellen, dass die Wahl des Siebenkantprismas für dich viel mehr bedeutet als nur seine Vielschichtigkeit.«
»Ich bin einer von sieben Brüdern. Obwohl sie uns voneinander getrennt haben, sind unsere Leben sehr ähnlich verlaufen. Was kann ich für die Röhre nehmen?«
»Ich habe Papiere für die Röhre, aber du könntest sie auch mit Pulver beschichten.«
»Ich würde sie lieber mit Pulver beschichten«, sagte er sofort. Er hatte nichts für Schnickschnack übrig. Tatsächlich wollte er ein schlichtes Äußeres und die Pulverbeschichtung konnte ruhig aussehen wie Schießpulver … »Oder …« Sein Blick fiel auf ein bereits fertiges Kaleidoskop am Ende ihres Tisches. »Was ist das?«
Das Kaleidoskop saß auf einem Turm aus etwas, das wie Buntglas aussah. Das Kaleidoskop selbst war mit Pulver beschichtet, doch um den Rand herum erweckte es den Eindruck von Buntglas, ein Material, das ihn reizte. Das Glas schien zu schimmern und seine Farbe zu verändern, wenn er es ansah.
»Das nennt sich dichroitisches Glas oder Farbeffektglas.«
»Es ist faszinierend. Es verändert seine Farbe, sowie man den Blickwinkel verändert.«
»Es wird unter Verwendung verschiedener Metalle in hauchdünnen Lagen hergestellt, die mit einem Elektronenstrahl in einem Vakuumbehälter vaporisiert werden. Ich stelle es nicht selbst her, aber ich liebe die Vielseitigkeit. Manche sind auf der Rückseite klar und andere haben eine schwarze Rückseite.«
Judith trank von ihrem Tee, während sie zusah, wie er sich darin vertiefte, sein eigenes Kaleidoskop herzustellen. Sie liebte es, Kurse zu geben, in denen sie die Techniken der Herstellung von Kaleidoskopen vermittelte, denn niemand konnte von den leuchtend bunten Gegenständen umgeben sein und sich nicht in seiner Kreativität angesprochen fühlen. Manche Teilnehmer summten vor sich hin und andere waren stumm, aber alle lächelten bei der Arbeit. Sie selber fühlte sich bei diesem Unterricht immer von Freude umgeben.
Stefan Prakenskij war ein ernsthafter Mann mit einer tragischen Vergangenheit, allerdings bezweifelte sie, dass er selbst es auch so sah. Sein Leben war in seinen Augen schlichtweg so, wie es war. Er nahm hin, dass seine Eltern ermordet worden waren und dass man ihm seine Brüder entrissen hatte. Er nahm hin, dass er durch strenge Disziplin und Strafe zu einem Mörder gemacht worden war, ebenso wie er auch die seltsame magnetische Anziehungskraft zwischen ihnen hinnahm.
Er war ein Mann, der Momente der Freude an schönen Dingen fand. Er fand sie schön, wie die Kunst, die er so sehr bewunderte. Die Form von Arbeit, der er nachging – und sie wollte sich nicht allzu genau ausmalen, was genau das war –, hatte ihn zu einem wachsamen, sehr gefährlichen Mann verhärtet. Er würde Action brauchen, nachdem er dieses Leben so lange geführt hatte. Konnte er sich da auf eine dauerhafte Beziehung mit ihr einlassen?
Sie seufzte und zog damit augenblicklich seine Aufmerksamkeit auf sich.
»Was ist?«
Sogar seine Stimme konnte ihre Haut streicheln. Sie beobachtete, wie seine langen, geschickten Finger das dichroitische Glas nach allen Richtungen drehten, während sich die Farben spielerisch verschoben. Mit solchen Fingern hätte er Pianist sein können. Er bewegte seine Hände mit einem sicheren Anschlag über ihren Körper, als wüsste er instinktiv, was ihre Lust steigern würde, bis sie blind für alles andere war – sogar für den gesunden Menschenverstand.
»Ich versuche verzweifelt zu glauben, du könntest das, was du tust, aufgeben und ein ruhiges Leben führen. Hier. Mit mir.« Sie strengte sich an, die Worte hervorzubringen, obwohl ihre Kehle plötzlich zugeschnürt war. »Die ›Chemie‹ hat eine begrenzte Lebensdauer und dann muss etwas anderes da sein, Stefan.« Sie benutzte vorsätzlich seinen richtigen Namen, um ihn daran zu erinnern, dass er nicht der reizende Thomas war. Er war ein Mann, der andere Menschen tötete. Sie mochte Jean-Claude zwar einen grässlichen Tod wünschen, aber dieser Mann konnte solche Dinge einfach in die Tat umsetzen.
Sie war ehrlich genug, sich einzugestehen, dass der Gedanke, ihn für einen so finsteren und destruktiven Zweck zu benutzen, ihr tatsächlich durch den Kopf gegangen war. Die Versuchung war da gewesen und hatte sie alarmiert und zugleich Scham bei ihr ausgelöst.
»Was ich tue, das ist kein Leben, Judith. Meine Arbeit macht mir
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