Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)
nutzlos hielt, und öffnete die Glastüren, die in die Gärten führten, um frische Meeresluft in den Raum einzulassen. Sie war unruhig und sie war das ganze Experiment leid. Da sich das Kaleidoskop jetzt seiner Fertigstellung näherte, wollte sie fast nicht mehr sehen, was er entworfen hatte. Die Nachtluft war frisch. Sie konnte das Bellen der Seelöwen hören, als sie einander riefen. Je mehr sie in dem Raum umherlief, desto deutlicher nahm sie die Stille wahr – seine Stille. Er war ein Leben in Stille gewohnt. Selbst wenn er sich ganz auf seine Arbeit zu konzentrieren schien, war er jederzeit sprungbereit.
Mehr als eine Stunde lang arbeitete er schon schweigend. Sein Vorgehen, um genau die richtigen Objekte für die Kammer seines Kaleidoskops zu finden, war methodisch. Es schien ihm keine Sorgen zu bereiten, ob ihr gefallen würde, was sie sah, denn er schaute sie nicht ein einziges Mal auf der Suche nach Anerkennung – oder Hilfe – an. Er schien entschlossen zu sein, ihr zu zeigen, wer er wirklich war, ohne sich um die Konsequenzen zu scheren.
Sie warf einen weiteren verstohlenen Blick auf ihn. Er schien tropfenförmige Perlen, die mit roter Flüssigkeit gefüllt waren, auf einen weißen Schneeflocken-Glücksbringer zu kleben. Er ging mit Sicherheit und Präzision und ohne jedes Zögern vor. Sie brauchte ihn auch nicht daran zu erinnern, den Inhalt seiner trockenen Objektkammer durch das Spiegelprisma zu betrachten. Jedes Mal, wenn er einen weiteren Gegenstand hineintat, achtete er sorgsam darauf, ihn durch das Siebenkantprisma anzusehen.
Ihr Magen flatterte vor Unruhe und sie presste ihre Hand fest darauf, damit er sich nicht hob. Es fiel ihr schwer, im selben Raum wie er zu sein und nicht zu ihm rübergehen und ihm einen Kuss auf den Nacken drücken zu wollen, während er den Kopf dicht über seine Arbeit beugte.
Plötzlich blickte er zu ihr auf und sah ihr mit blanker Lust in die Augen. Ihr Magen schlingerte und flüssige Glut ließ sie feucht werden. Er lächelte sie an.
»Mir geht es auch so.«
Ihr Mund wurde trocken. Ihre Handfläche juckte. Sie lechzte verzweifelt nach ihm und es war nicht gerade hilfreich, dass sie sich ausgerechnet hier auf ihrem Tisch wild und berauschend geliebt hatten.
»Nächstes Mal benutzen wir das Bett.«
Er stellte es als einen Tatbestand hin – als Gewissheit, es würde ein nächstes Mal geben. O Gott, sie wünschte sich so sehr, dass es ein nächstes Mal geben würde. Bitte, lass es ein nächstes Mal geben. Sie fühlte die Berührung seines Blicks wie Fingerspitzen, die ihre Haut streichelten. Ihre Brustwarzen stellten sich unter ihrem dünnen T-Shirt auf. Sie hätte sich etwas anderes anziehen sollen.
»Wir kriegen das schon hin, mein Engel«, sagte er. »Hab Vertrauen.«
Komisch, dass ausgerechnet er derjenige war, der ihr sagte, sie solle Vertrauen haben.
Er lächelte sie an. »Du bist mein ganz persönlicher Engel, der für mich vom Himmel gefallen ist. Sag mir jetzt, wie ich das Ganze versiegele.«
Sie war nicht sicher, was er damit meinte, ihre Flügel gestutzt zu haben, aber sie wollte es hinter sich bringen, damit die Spannung nachließ. Gleichzeitig wollte sie es gar nicht wirklich wissen, falls das Experiment schlecht ausgehen würde.
»Mir gefällt das Ergebnis.« Wieder äußerte er sich mit großer Entschiedenheit und das sagte ihr viel über ihn. Wenn er sich erst einmal entschlossen hatte, war er sich seiner Sache sicher und handelte demgemäß.
»Befestige den Deckel mit Acrylzement«, wies Judith ihn an. »Wenn du damit fertig bist, siehst du dir das kleine vorgebohrte Loch in der Seite der Objektkammer an. Dort füllst du mit der Spritze das Mineralöl hinein.« Sie zeigte ihm, wo. »Benutze den winzigen Gewindestift dort, um das Loch zu schließen, nachdem du die Kammer mit dem Öl gefüllt hast.«
Judith sah ihm bei der Arbeit zu und ihr Herzschlag beschleunigte sich. Bald würde sie sich sein Werk ansehen müssen und sie fürchtete sich vor dem, was sie sehen könnte. Sie durchquerte den Raum, blieb vor den Glastüren stehen und starrte in ihren Garten hinaus. Die Pflanzen beschwichtigten sie immer. Sie liebte die vielen farbigen Ahornbäume, die sie so zurückschnitt, dass anmutige Äste über das schmale Band des plätschernden Bachs hingen, der über Felsen strömte und einen kleinen Wasserfall bildete, welcher wiederum den großen Koi-Teich an einem Ende speiste. Dort, wo es am tiefsten war, führte eine schmale Brücke über das
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