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Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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sich an nichts mehr erinnerte, was in ihrer Beziehung schön gewesen war. Irmi hatte vor Martin nicht allzu viele Beziehungen gehabt, ein paar aber schon, und jedem dieser Exfreunde war sie immer freundlich verbunden geblieben. Hatte auch hinterher gewusst, dass das ein liebenswerter Mensch gewesen war, sie und er lediglich als Paar eine Fehlbesetzung. Bei Martin war da nichts mehr. Und das war der Mann gewesen, dem sie vor Gottes Angesicht das Jawort gegeben hatte.
    Durch die Erfahrung mit Martin hatte Irmi ihr Vertrauen in die eigenen Emotionen verloren. Auch ihrer Menschenkenntnis traute sie nicht mehr, höchstens im beruflichen Kontext. Und das Glück hatte sie verlassen, sie konnte sich nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal wirklich glücklich gewesen war. Martin hatte etwas zerstört, das unwiederbringlich war.
    Und nun musste sie im Mordfall Martin Maurer ermitteln, was sie völlig aus dem Gleichgewicht brachte. Denn bis heute war er ihr nicht gleichgültig geworden. Wenn das Gegenteil von Liebe Gleichgültigkeit war, hatte sie diese Stufe der Weisheit immer noch nicht erreicht.
    Inzwischen hatte sie ihren Kaffee ausgetrunken. Jetzt musste sie dringend ins Büro. Andrea war gerade auf dem Weg zum Gastroservice Maus, denn dort war Franz Utschneider laut seiner Liste am fraglichen Tag gewesen. Angeblich hatte er gleich zweimal nacheinander Ware begutachtet und geordert. Wenn das stimmte, war es höchst unwahrscheinlich, dass er dazwischen am Hausberg Xaver Fischer ermordet hatte. Der Zeitrahmen wäre zu knapp gewesen.
    »Andrea, Sailer, könntet ihr, wenn ihr bei Maus seid, auch nach dem Auto von Xaver Fischer schauen? Das müsste noch dort stehen. Bitte sicherstellen und den Hasen informieren, vielleicht finden wir etwas in seinem Auto, das uns weiterhilft.« Irmi diktierte Andrea das Autokennzeichen.
    Sailer starrte sie an. »Sie san eben doch Hellseherin, Frau Irmgard! Woher wissen Sie des scho wieder?«
    »Wer viel fragt, bekommt viele Antworten. Sein Bruder hat ihn dort abgeholt. Das Auto müsste noch da stehen.«
    So ganz schien Sailer das offenbar nicht begriffen zu haben. Dafür erkundigte sich Andrea: »War das Gespräch denn hilfreich?«
    »In jedem Fall. Wir machen gegen drei eine Besprechung. Ich möchte vorher die Akte aus dem Allgäu lesen. Ist die schon da?«
    Andrea nickte. »Auf deinem Schreibtisch. Ach ja: Kathi hat angerufen. Sie kommt gegen halb zwei rein. Am Telefon hat sie behauptet, sie sei keimfrei.«
    Irmi verzog den Mund. »Na dann, bis später.«
    Mit Kaffee und einer zweiten Käsesemmel bewaffnet, zog sich Irmi ins Büro zurück. Stellte das Telefon auf die Zentrale um und schloss die Tür.
    Die Akte war nicht übermäßig umfangreich, und doch kamen ihr schon die wenigen Seiten wie ein unüberwindbarer Berg vor. Sie fühlte sich wie ein Eindringling, wie jemand, der durchs Schlüsselloch einer Tür sah, hinter der Martins Leben lag. Der Bericht der Pathologie ließ als Schlussfolgerung Mord oder Selbsttötung zu. Es gab eine Reihe von Aussagen, die ein wenig mehr Licht in die letzten Tage des Martin Maurer brachten. Er hatte sich vor nunmehr drei Wochen die Ferienwohnung gemietet, die einer Cousine von der Besitzerin des Schrothgasthofs gehörte, wo auch Irmi und Lissi untergekommen waren. Er hatte offenbar freimütig erzählt, dass er in Gewerbeimmobilien mache und für einige Investoren auf der Suche nach geeigneten Objekten sei. Oberstaufen hatte er als Basis ausgewählt, weil er auch drüben in Vorarlberg tätig war und die ständigen Anreisen aus Frankfurt einfach zu mühsam gewesen wären.
    Der Kollege hatte auch herausgefunden, dass Martin Maurer getrennt lebte, dass seine Tochter verstorben war und dass er nun in Frankfurt ansässig war. Wie neutral das in schriftlicher Form auf dem Papier daherkam, dachte Irmi. Wie kühl!
    Martin Maurer hatte offen gelassen, wie lange er bleiben wollte – je nach Verlauf der Geschäfte, hatte er gesagt. In Oberstaufen war es tatsächlich um das alte Hotel gegangen, der potenzielle Käufer war aber gar kein Russe, sondern ein Firmenboss aus Tschechien, der ein Ferienheim für seine Mitarbeiter einrichten wollte. Zu diesem Zweck hatte Martin drei Objekte im Visier gehabt: eines in Oberstaufen, eines in Mellau im Bregenzerwald und eines in Sulzberg gleich hinter Oberstaufen auf der österreichischen Seite. Aus einem Tschechen hatte das Dorfgetratsche einen Russen gemacht, aus einem Ferienheim einen Cube. Irmi musste kurz lächeln, weil der

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