Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
Vom Netzwerk:
stehen.«
    »Er mochte die Franzhütte nicht«, sagte Irmi eindringlich.
    »Nein, weil er mit seinen dämlichen Skiclubbrüdern beschlossen hat, dass die Berge rund um Garmisch generell dem Skiclub gehören. Sie dulden keine anderen Götter neben sich. Das ist lächerlich.«
    »Und Sie haben nichts gegen diese Hütte? Sind Sie im Skiclub?«
    »Bitte? Im Skiclub? Ich bin Jäger, kein Hobbyist, der sich alberne Latten unter die Füße schnallt.«
    Da konnte ihm Irmi in gewisser Weise zustimmen. Sie war zwar keine Jägerin, aber rutschige Bretter waren auch nicht ihre Welt. Ihrer Meinung nach war der Mensch nicht zum Skifahren geschaffen. Mühsam hatte er den aufrechten Gang gelernt, da hatte die Evolution sicher nicht vorgesehen, solch halsbrecherische Aktionen durchzuführen.
    »Und die Franzhütte von diesem Utschneider?«, insistierte sie.
    »Marktwirtschaft. Der Beste gewinnt. Wer verdient, hat recht. Was interessiert mich diese Hütte?«
    »Herr Fischer, eine letzte Frage: Warum hat Ihr Bruder eigentlich als Lifterer gearbeitet? Ich meine, finanziell sind Sie doch alle aus dem Schneider.«
    Nun sah er sie fast mitleidig an. »Dem Staat schenkt man nichts, und eine Sozialversicherung schadet nie. Außerdem war er da seinen Skiclubspezln nahe und konnte gegen die Hütte stänkern.« Er machte eine kurze Pause. »Wann können wir denn nun die Beerdigung arrangieren? Meine Schwester kommt extra aus Kanada. Die hat ja nicht ewig Zeit.«
    »Ich gebe Ihnen Bescheid. Danke, Herr Fischer.«
    Irmi reichte ihm zum Abschied die Hand. Er drückte zu wie ein Schraubstock.
    Auf dem Rückweg ließ sie das Gespräch noch einmal Revue passieren. Hans Fischer strich sicher alles an Landwirtschaftssubventionen ein, was es gab. Nur dem Staat nichts schenken! Er war schlau und strotzte vor Selbstvertrauen. Den konnte man nur schlecht ins Bockshorn jagen.
    Wenn er nicht gelogen hatte, dann war seine Aussage ein weiterer Beweis dafür, dass Xaver Fischer und Martin Maurer sich getroffen hatten. Aber warum? Und wer war ihr Mörder? Was, wenn der Bruder Hans erst Xaver und dann Maurer um die Ecke gebracht hatte? Es wäre natürlich ein äußerst geschickter Schachzug von ihm, seine Anwesenheit am Hausberg zuzugeben. Denn früher oder später hätten sie das ja ohnehin herausgefunden. Wenn sie Hans Fischer nachweisen konnte, dass er sich Insulin beschafft hatte, dann hatte sie ihn. War das ihr Mörder?
    Irmi war nicht nach Büro. Sie fuhr ziellos durch die Gegend und parkte schließlich am Rathausplatz, ging die Bahnhofstraße hinauf und setzte sich vors Café Bellini. Es war warm in der Sonne. Sie bestellte sich einen Latte macchiato und versuchte sich zu konzentrieren.
    Ein inszenierter Mord und einer in ziemlicher Eile: Womöglich war Maurer unfreiwillig Zeuge des Brudermords geworden und hatte sich dann aus dem Staub gemacht. Diese Theorie passte zwar etwas besser, erklärte aber immer noch nicht, warum die beiden Männer am Berg gewesen waren. Sie hoffte, dass der Allgäuer ihr die Akte hatte zukommen lassen.
    Eigentlich hatte sie gar nichts mehr mit Martin zu tun haben wollen. Wie oft hatte sie sich geschworen, nie wieder Kontakt mit ihrem Exmann aufzunehmen? Jetzt verfolgte er sie über seinen eigenen Tod hinaus …
    Auf die Phase ihrer Spionagefahrten folgte eine Phase des ungläubigen Zusehen-Müssens, dass Martin alles, was er vorher verabscheut hatte, augenscheinlich nun lebenswert fand. Er hatte über dumme kleingeistige Mädchen gelästert: Sabine war dumm. Er hatte Kinder gehasst: Nun hatte er eins. Er hatte immer in einem Penthouse über der Stadt leben wollen: Nun saß er in einem Kleinhäusleranwesen mit Spießergarten. Sie hatte gehadert und ein paar Mal versucht, mit ihm zu reden. Er hatte jede Kommunikation mit ihr abgeblockt.
    Sie hatte sich erniedrigt und ihn angefleht zurückzukommen. Sie wollte ihr Leben für ihn ändern, wäre sogar zur Polizei nach München gegangen, wenn er dort eine Bankstelle gefunden hätte. Wäre ins Penthouse gezogen, das sie sich in München natürlich nie hätten leisten können. Sie hätte ihre Kühe im Stich gelassen, den ersten Kater, den es damals gegeben hatte. Der aktuelle Kater namens Kater war schon Nummer drei. Sie hätte Wally zurückgelassen, die damals ein Welpe gewesen war. Martin hatte auch Hunde gehasst, »stinkende dumme und devote Fellbündel, die schlechten Atem haben und noch mehr stinken, wenn sie nasseln«, hatte er gesagt. Aber Tiere hatten sie immer begleitet, leise,

Weitere Kostenlose Bücher