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Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Blicke hingen am Flipchart.
    »Wenn, dann der Russ!«, kam es von Sailer. »Was woaß ma, was die für Methoden ham. Wenn der Maurer ned so g’spurt hot, wie die wolln ham?«
    Irmi hätte lügen müssen, wenn sie behauptet hätte, diesen Gedanken nicht auch gehabt zu haben. »Der Adler« fiel ihr wieder ein. Solche weltumspannenden Verbrechen gab es nur selten in Garmisch, und der Gedanke gefiel ihr auch nicht. Sie konnte sich in Menschen, die vollkommen skrupellos mordeten, nicht hineinversetzen. Familiäre Verzweiflungstaten – das war ihr Alltag, als Großstadtpolizistin wäre sie bestimmt untergegangen. Sie war eine erfahrene Ermittlerin, aber der Fall machte ihr allmählich Angst. Sie sagte nichts weiter zum »Russ«, der auch hier zum Feindbild Nummer eins aufstieg. Sie hielt es in jedem Fall für gefährlich, in solchen Schubladen zu denken. Und sie mussten in alle Richtungen weiterdenken.
    »Was tun wir?«, fragte Irmi.
    »Vor allem den guten Franz Utschneider vorladen, der soll uns mal verklickern, warum er nichts vom Verkauf erzählt hat!«, rief Kathi.
    »Das seh ich auch so. Gut! Des weiteren: Andrea, dein Englisch ist besser als meins. Kannst du mal mehr über diese Zwetkow-Gruppe rausfinden?«
    »Klar.« Andrea wirkte stolz.
    »Und Sie, Sailer, schauen Sie mal nach dem Hasen, ob der was Verwertbares im Auto von Xaver Fischer gefunden hat?«
    »Aye, aye, Sir!«, kam es von Sailer.
    Manchmal beneidete Irmi ihren Mitarbeiter. Sailer war bar jeder Selbstreflexion, bar jeden Selbstzweifels. Er arbeitete ohne besondere Euphorie, aber auch nicht so, dass man ihm Faulheit hätte nachsagen können. Sailers Welt war klar wie ein schöner Herbsttag im Gebirge.
    Als Irmi den Herrn Hüttenwirt telefonisch erreichte, war er seinen Aussagen zufolge gerade dabei, Bürokram aufzuarbeiten. Irmi bat ihn, kurz vorbeizuschauen, und er blieb auf diese neutrale Weise freundlich, die sie erahnen ließ, dass sie total ungelegen kam. Er war ein harter Brocken, so freundlich er auch wirkte.
    Als Utschneider wenig später bei ihr auftauchte, trug er Bergsportklamotten, alles sehr lässig und teuer. Irmi stellte ihm Kathi vor, und er grüßte erfreut. Das war die Reaktion, die Kathi beim männlichen Teil der Bevölkerung hervorzurufen pflegte. Sie war eine fatale Mischung aus Lolita und Vamp.
    Er lehnte das Angebot von Kaffee oder Wasser ab und wartete. Irmi hatte das Bild von Martin Maurer von seiner Homepage ausgedruckt und legte es vor Utschneider auf den Tisch.
    »Den kennen Sie?«
    »Herrn Maurer. Ja.«
    »Wären Sie auch so nett, uns zu sagen, warum Sie den kennen?« Mittlerweile hatte Kathi ihren Lolitacharme weggepackt. Außerdem klang ihre Stimme durch die Nachwehen der Erkältung heute besonders rau.
    »Herr Maurer ist Makler.«
    »Na, das wissen wir auch! Brauchen Sie vielleicht Sprechkörnchen für den Sittich, damit da was weitergeht?« Kathi war in Form.
    Irmi mischte sich ein. »Sie haben uns auf der Hütte ziemlich viel erzählt. Auch in ganzen Sätzen, sogar mit Nebensatz. Wäre es drin, eventuell mal etwas ausführlicher zu werden?«
    »Herr Maurer ist Makler, und er hatte Interessenten für unsere Hütte.«
    »Und da sahen Sie keine Notwendigkeit, uns zu erzählen, dass Sie verkaufen wollen?« Auch Irmi ließ den Hüttenwirt spüren, wie verärgert sie war.
    »Sie wollten wissen, wie mein Verhältnis zu Xaver Fischer war. Ich glaube, ich habe Ihnen da umfassend Auskunft gegeben, oder? Ob wir die Hütte verkaufen oder nicht, ist doch uninteressant.«
    Das war ein starkes Stück. Irmi warf Kathi einen Seitenblick zu, woraufhin diese ausnahmsweise die Klappe hielt.
    Franz Utschneider sah von der einen zur anderen. »Ja, was schauen Sie denn so? Wir ziehen in Erwägung zu verkaufen, wenn der Preis stimmt. Und ja: Diese ganzen Querelen haben uns zermürbt, das macht keinen Spaß mehr. Du reißt dir den Arsch auf, natürlich für den eigenen Geldbeutel, aber doch auch für den Berg. Für dieses verdammte Kaff. Weil du an das Potenzial glaubst. Aber außer Gegenwind und Ärger gibt es nichts als Lohn. Das können Sie mir jetzt glauben oder nicht: Geld allein ist bei so einem Projekt zu wenig. Das war unser Baby, und dann soll es halt mit jemand anderem erwachsen werden.«
    »Wie kamen Sie denn an Herrn Maurer?«
    »Ich hab ein bisschen recherchiert. Ein Kumpel von mir in Tirol drüben hat über Martin Maurer ein Hotel verkauft. Er war überaus zufrieden, weil Maurer sehr diskret ist und am Ende nur Kaufinteressenten

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