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Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Brischitt sie fast mitleidig an. »Frau Mangold, also Sie sind wirklich eine andere Generation. Ich mein jetzt nicht, dass Sie alt wären. Aber da sind Sie naiv. Einen Jugendraum mitten im Dorf will doch keiner! Da sieht ja jeder, dass der Sohn vom Bürgermeister der übelste Säufer ist, die Tochter vom Doktor die ärgste Schlampe, die sich von jedem knallen lässt. Jeder kriegt mit, dass die Buben von den bigottesten, honorigsten Bürgern mit Drogen dealen. So ein Bauwagen hat doch eine herrliche Alibifunktion. Man tut was für die Jugend – und hat sie abgeschoben, dorthin, wo man das Elend nicht sehen muss. So schaut’s doch aus!«
    Brischitt hatte recht, und es war eigentlich tragisch, dass eine junge Frau schon so pessimistisch war, was die Sicht auf die Erwachsenenwelt betraf. Draußen vor den Toren da sollte sich das Volk nur tummeln, wenn die Zugbrücken oben waren. Der Mensch war über das finstere Mittelalter nie hinausgewachsen. Und eigentlich ging so was ja auch lange gut. Nur dann hatte sich der Unfall ereignet.
    »Und als der Unfall passiert war, geriet ihr Vater in die Kritik?«, fragte Irmi nach einer Weile.
    »Ja, und das war schon gemein. Er konnte doch nichts dafür, diesmal wirklich nicht.«
    »Er hat sich aber ziemlich vehement verteidigt. Er hat für den Wagen Position bezogen«, sagte Irmi und hoffte, dass das nicht wie ein Vorwurf klang.
    »Ja, aber nur, weil sie ihn so angegriffen hatten. Das war doch auch wieder typisch. Die eigentlichen Verantwortlichen haben sich geduckt, auf einmal war der schuld, auf dessen Grund der verdammte Wagen stand. Papa ist ausgerastet. So war er immer: cholerisch, mit dem Kopf durch die Wand. Ich bin mir nicht mal sicher, ob das wirklich seine Meinung war, was er in dem Leserbrief damals geschrieben hat, aber er hat provoziert. So war er eben.« In ihren Augenwinkeln hatten sich ein paar Tränen gesammelt.
    »Brischitt, es tut mir so leid, daran rühren zu müssen, aber wie hat der Vater des Mädchens reagiert?«
    »Er hat alle verantwortlich gemacht. Den Gemeinderat, meinen Vater, er war sogar mal hier auf dem Hof und hat herumgeschrien. Mir kam das so vor, dass er gegen die Front des Gemeinderats nicht angekommen ist und sich deshalb eben auf eine Einzelperson gestürzt hat. Er war verzweifelt. Verständlich. Er hat gesagt, dass es ein Jüngstes Gericht gebe und dass mein Vater auch noch dran glauben müsse.«
    Das Jüngste Gericht – abgehalten unter einem Kreuz am Hausberg?
    »Brischitt, wissen Sie, was aus dem Vater geworden ist?«
    »Nein, ich hab gehört, die ganze Familie sei zerbrochen. Schlimm, so was.«
    »Der Vater hieß Martin Maurer, und er ist tatsächlich weggegangen. Er arbeitet in Frankfurt als Makler.« Ihr war bewusst, dass sie eigentlich »arbeitete« hätte sagen müssen, aber sie hatte ihre Gründe. »Sagt Ihnen das irgendwas?«
    »Nein.«
    »Und Sie haben auch nicht gewusst, dass Ihr Vater die Skihütte am Hausberg kaufen wollte?«
    »Was wollte der?« Brischitt hatte die Augen weit aufgerissen.
    »Die Franzhütte kaufen, die er so bekriegt hatte.« Irmi wartete. Brischitt musste das erst mal verarbeiten.
    »Aber warum denn das?« Sie klang verzweifelt.
    »Da kann ich nur spekulieren. Um den beiden Inhabern so richtig eine mitzugeben vielleicht? Ausgerechnet der ärgste Feind kauft deren geliebtes und gepäppeltes Baby, das den Kinderschühchen entwachsen ist und richtig viel Kohle abwirft.«
    Brischitt hatte die Stirn gerunzelt, sie schien angestrengt nachzudenken.
    »Aber die hätten doch nie an meinen Vater verkauft! Vorher hätten die diese Hütte lieber gesprengt!«
    »Ja, so ähnlich hat das der Hüttenwirt, Franz Utschneider, auch formuliert. Aber nun kommt Martin Maurer ins Spiel. Er war dazwischengeschaltet und sollte den Deal klarmachen. Und wenn ich dem Hüttenwirt glauben will, dann hat er wirklich nichts von der Identität des Käufers gewusst.«
    »Aber das wäre ja total mies!«, rief Brischitt.
    »Ja, da wären Martin Maurer und Ihr Vater einen ganz bösen Pakt eingegangen – einen teuflischen Pakt. Brischitt, ich möchte Sie wirklich nicht in Verlegenheit bringen, aber Sie kannten Ihren Vater wie niemand sonst. Ihr Vater muss doch gewusst haben, wer Maurer war. Er kannte ihn seit dem Unfall. Wie wäre er mit ihm umgegangen? Und hätte er ausgerechnet in ihn ein so besonderes Vertrauen als Makler gehabt?«
    Brischitt war es sichtlich unangenehm. Sie tat Irmi unendlich leid. Es war ein Scheißjob, den sie da auszuüben

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